Die Dirne und der Bischof
überlege dir gut, was die Meisterin dazu sagen wird, wenn sie es erfährt. Und glaub mir, sie erfährt am Ende immer alles! Keiner weiß, warum.« Sie senkte die Stimme. »Manche vermuten, sie hat einen unsichtbaren Geist, einen Dämon der Hölle, der ihr dient.« Ein wenig ängstlich sah sie sich um und fuhr dann erschreckt zusammen, als die ärgerliche Stimme der Eselswirtin zu ihr herüberschallte.
»Was gibt es da noch zu tuscheln? Ich habe euch Arbeit zugewiesen, und ich erwarte, dass ihr sie gleich erledigt!«
Die drei Frauen fuhren auseinander. Elisabeth klemmte sich den Korb unter den Arm und wollte den Weg zum Stadttor einschlagen, als Else sie barsch zurückhielt.
»Was hat das zu bedeuten? Wohin gehst du?«
»Eier und Milch kaufen«, antwortete Elisabeth.
»Das habe ich nicht dir aufgetragen.« Sie sah drohend zu Ester und Jeanne hinüber.
»Verzeih, Meisterin, mein Fuß schmerzt wieder«, log Ester. »Deshalb hab ich Elisabeth gebeten, für mich zu gehen. Ich werde für sie waschen.«
»Und du? Welche Ausrede fällt dir ein? Ich dulde es nicht, dass eine von euch alleine durch die Stadt streift.«
Jeanne fiel so schnell keine glaubwürdige Ausflucht ein. Hilfesuchend sah sie zu Elisabeth.
»Gut, dann heb deinen faulen Hintern von der Bank, und geh mit Elisabeth einkaufen!«, befahl die Meisterin.
Jeanne sprang auf und eilte mit der Freundin den Weg an der Kürnach entlang, der sie zum inneren Pleichacher Tor führte.
»Es tut mit leid, Lisa«, sagte Jeanne, als sie außer Hörweite waren. »Ich wollte deine Pläne nicht durchkreuzen. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich vor Neugier fast platze. Willst du mir nicht doch verraten, was du ausheckst?«
Elisabeth schüttelte den Kopf und ging so rasch voran, dass Jeanne mit ihren kürzeren Beinen kaum folgen konnte.
»Lissi, das ist nicht nett! Um unserer Freundschaft willen!«
Elisabeth schwieg, bis sie das Tor passiert hatten. »Können wir uns trennen? Du gehst einkaufen, und wir treffen uns später wieder hier am Tor?«
Jeanne wiegte den Kopf hin und her. »Du weißt, dass wir das nicht dürfen! Ich könnte viel besser lügen, wenn ich wüsste, was ich verbergen soll!«
Die Freundin schüttelte seufzend den Kopf. »Deine Neugier wird dir noch einmal zum Verhängnis.«
»Und dir deine Geheimniskrämerei!«, konterte die Französin.
»Nun gut«, gab Elisabeth nach. »Weißt du, in welchem Haus die Ratsfamilie von Suppan wohnt?«
Jeannes Augen wurden groß. »Was willst du denn von diesen Leuten?«
»Der Hausfrau eine Frage stellen.«
»Aber du kannst doch nicht einfach zu einer Ratsfrau gehen«, stotterte die Französin verwirrt. »Wie kommst du auf den Gedanken?« Plötzlich ging ihr ein Licht auf.
»Es ist wegen gestern, nicht? Sie hat nicht uns so angestarrt, sie hat dich gesehen und ist dann in Ohnmacht gefallen!« Jeanne pfiff durch ihre Zahnlücke. Elisabeth nickte.
»Ja, nachdem ihr Sohn ihr zuflüsterte, was ich bin.« Ihr Ton klang bitter.
»Heiliger Herr Jesus, das bedeutet, dass sie weiß, wer du bist - ich meine, wer du früher gewesen bist.«
»Ja, der Gedanke kam mir auch. Und nun werde ich zu ihr gehen, denn ich muss es wissen!«
Langsam gingen sie weiter über den Platz, auf dem die letzten Judenhäuser abgebrochen wurden, vorbei an der noch immer nicht ganz fertigen Marienkapelle. Den stinkenden Rigol querten sie auf einem Holzsteg.
»Aber warum hat sie überhaupt so heftig reagiert?«, dachte Jeanne laut nach. »Ihr muss einst etwas an dir gelegen haben! Und das bedeutet sicher, dass du nicht irgendeine Magd oder Hintersassin warst.«
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Dann wäre sie nicht in Ohnmacht gefallen.«
Jeanne nickte. Sie gingen am Tor des Stifts Neumünster vorbei und dann durch den Schatten der Domtürme.
»Du stammst aus einer vornehmen Familie«, stellte Jeanne fest. »Darum kannst du schreiben und lesen. Vielleicht warst du eine Nonne im Kloster. Kein Wunder, dass es ihr einen Schreck versetzt hat, dich plötzlich unter den Dirnen zu sehen.«
»Vielleicht«, stimmte Elisabeth ihr zu. »Und doch ist ihre Reaktion unbegreiflich, wenn ich nur irgendjemand bin, den sie aus ihren Kreisen kennt!«
Jeanne blieb mitten auf dem Domplatz stehen. »Du meinst, du gehörst zu ihrer Familie? Wenn das wahr wäre! Ich kann es kaum glauben. Du eine feine Bürgerin, und dann noch aus dieser mächtigen Familie?«
Elisabeth zuckte mit den Schultern. »Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein.«
»Nun, wir
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