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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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werden es bald wissen«, hauchte Jeanne, und ihre Stimme zitterte vor Aufregung. Sie blieb vor einem prächtigen Portal stehen, das in den Innenhof des Anwesens führte, das der Ratsherr von Suppan sein Eigen nannte. Unschlüssig blieben die Frauen stehen und blickten in den Hof, in dem geschäftiges Treiben herrschte.
    »Soll ich hier auf dich warten?«, fragte Jeanne, die nun anscheinend der Mut verließ. »Obwohl es mich schon interessieren würde. Ich war noch nie in einem solch prächtigen Haus. Du musst mir nachher alles genau berichten. Und dass du mir keinen Teppich oder silbernen Becher auslässt!«
    Elisabeth lachte nervös auf. Nun, da sie über den Hof gehen und nach der Hausherrin fragen sollte, kam ihr ihr Vorhaben plötzlich nicht mehr so einfach vor. Sie sah an ihrem verwaschenen, unförmigen Kleid herunter. Der gelbe Streifen fiel kaum auf, wenn man nicht so genau hinsah. Was sollte sie sagen, wer sie sei, wenn man sie fragte? Und was für einen Grund konnte sie dafür angeben, dass sie die Hausfrau sprechen wollte? Sie konnte schlecht sagen: Verzeiht, ich bin die Dirne Elisabeth aus dem Frauenhaus in der Pleichacher Vorstadt - obwohl ich vermutlich noch vor einem Jahr jemand anderes war. Eure Herrin ist gestern bei meinem Anblick in Ohnmacht gefallen, daher wüsste ich gern, ob ich ein Mitglied dieser Familie bin oder woher sie mich sonst zu kennen glaubt. Nein, so ging es natürlich nicht.
    Stumm standen die beiden Frauen da, brüteten über eine mögliche Lösung ihres Problems und sahen den Männern zu, die im Hof arbeiteten. Zwei beluden einen Wagen mit Weinfässern. Ein anderer schleppte Säcke und Kisten eine Treppe hinunter, die in den Gewölbekeller führte. In einer Ecke saß eine Magd auf einem Hocker und rupfte ein Huhn, das sie wohl auf dem Markt erstanden hatte und nun für das Abendbrot des Ratsherrn und seiner Familie vorbereitete. Ein zweites Tier lag mit abgeknicktem Hals zu ihren Füßen. Einer der Knechte hatte die Frauen am Tor bemerkt und sah nun immer öfter zu ihnen hinüber. Als er das letzte Fass auf den Wagen gewuchtet hatte, zog er ein schmutziges Tuch aus der Tasche, wischte sich Nacken und Stirn trocken und trat auf das Tor zu.
    »Was wollt ihr hier?«, fragte er nicht unfreundlich. »Ihr steht schon eine ganze Weile hier herum. Kann ich euch weiterhelfen?«
    Elisabeth spürte Jeannes Hand in ihrem Rücken, die sie vorwärtsschob. Die junge Frau knickste. »Ja, vielleicht, ich möchte deine Herrin sprechen. Ist die gnädige Frau von Suppan im Haus?«
    Der Mann zögerte. »Ja, das schon. Ich denke, sie ist zu dieser Zeit in der Stube, aber ob du zu ihr darfst, das kann ich nicht sagen.« Er kratzte sich das Kinn und betrachtete Elisabeth. Offensichtlich war sein Blick nicht bis zu ihrem Rocksaum geglitten, denn er sagte: »Hm, wir können zumindest ihre Magd fragen. Komm mit.«
    Er ging mit großen Schritten voran. Elisabeth versuchte mit ihm Schritt zu halten, was nicht einfach war, ohne den Rock zu raffen. Er ging auf eine kunstvoll geschnitzte Tür zu, stieß sie auf und trat in die Halle. Elisabeth folgte ihm und sah sich staunend um. In diese Halle mit ihren beiden steinernen Treppenaufgängen hätte das gesamte Frauenhaus dreimal hineingepasst!
    »Maria!«, rief der Mann so laut, dass Elisabeth zusammenzuckte. Irgendwo schlug eine Tür, dann kam eine Frau in mittleren Jahren die Treppe heruntergelaufen. Ihr Gewand war grau, über einem weißen Hemd, doch aus gutem Stoff fein geschnitten und so sauber, dass sich Elisabeth ganz schmierig vorkam. Selbst die Haube der Frau war blütenweiß, so als habe sie sie eben erst aus den Händen der Näherin entgegengenommen.
    »Johann, was schreist du denn so? Du weißt doch, dass die Gnädige an Krämpfen leidet!«
    Der Knecht brummte etwas über die Herrin in seinen Bart, das er sicher besser nicht laut aussprach. »Das Mädchen hier will die gnädige Frau sprechen«, sagte er dann und trat zur Seite, dass Maria die Besucherin betrachten konnte. Auch die Magd des Hauses musterte sie kritisch. Elisabeth ließ ihr leichtes Umschlagtuch so über ihren Armen auf den Boden herabhängen, dass Maria den Rocksaum nicht sehen konnte.
    »Wer ist sie, und was will sie?« Das klang schon weniger freundlich als die Frage des Knechts.
    »Keine Ahnung«, sagte dieser und zuckte mit den Schultern. »Ich muss jetzt wieder an die Arbeit.« Und damit entzog er sich der schwierigen Entscheidung, ob man die Besucherin nun melden sollte oder

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