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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Becher auf den Tisch, legte ein paar Münzen daneben, erhob sich und ging davon.
    »Er ist ein guter Mann«, sagte Elisabeth leise. »Besser hätte er den schwärenden Unwillen in meiner Seele nicht in Worte fassen können.«
    Jeanne nickte. »Ja, wer hätte so etwas von unserem Meister Thürner gedacht?«
     

Kapitel 9
    Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne brannte heiß vom sommerlich blauen Himmel. Die Bewohnerinnen des Frauenhauses hatten sich ihre schönsten Gewänder angezogen und wollten hinüber in die Stadt, um sich die Prozession anzusehen. Sie war zu Ehren des Bischofs und zum Dank für seine unversehrte Rückkehr vom heiligen Kreuzzug ausgerufen worden. Und natürlich auch zu Ehren seiner tapferen Männer, die mit ihm nach Böhmen gezogen waren.
    Obwohl Elisabeth sich an diesem Tag nicht wohl fühlte, folgte sie den anderen Frauen, nachdem Jeanne ihr keine Ruhe gelassen und sie am Morgen sicher schon ein Dutzend Mal gefragt hatte.
    »Du musst hinaus in die Sonne; du bist viel zu blass«, sagte sie und zog die Freundin hinter sich her.
    »Ihre Blässe sieht aber schön vornehm aus«, meinte Anna. »Nicht so bäurisch wie wir!« Sie grinste und ließ ihre schlechten Zähne sehen.
    »Vornehm?«, nahm Gret das Wort auf und betrachtete Elisabeth kritisch. »Ich finde, sie sieht eher kränklich aus. Ein Ausflug in die Domgasse wird ihr jedenfalls nicht schaden.«
    »Und vielleicht bekommt sie so hübsche Sommersprossen wie du«, lästerte Anna und kicherte.
    Gret zog an der Haarsträhne, die sich aus ihrer Haube gelöst hatte. »Wage es nicht, so über mich herzuziehen«, fauchte sie in gespieltem Zorn und imitierte Marthes Tonfall. »Und binde dir deine Haube ordentlich! Heute ist ein hoher Feiertag.«
    Anna zog eine Grimasse, ließ sich aber von Jeanne das Haar neu aufdrehen und die Haube sorgfältig darüber binden.
    Da das Judentor schon seit langer Zeit vermauert war, betraten die Frauen die Stadt durch das innere Pleichacher Tor unten am Main. Sie folgten am Holztor vorbei der Gasse, in der die Kärrner wohnten und auf Arbeit warteten. Schon ragte das Karmeliterkloster vor ihnen auf und dahinter der Turm des Grafeneckarts, des alten Adelssitzes, der nun den Stadtoberhäuptern als Rathaus diente. Je näher sie der Domgasse kamen, die in gerader Linie vom Westportal bis zur Brücke über den Main führte, desto dichter wurde das Gedränge in der Gasse. Endlich erreichten sie die breite Straße, durch die die Prozession führen würde. Drüben auf der anderen Seite, am Platz vor dem Münzhaus, standen die Menschen noch nicht so dicht, sodass die Frauen beschlossen, von dort aus den Zug zu betrachten. Die meisten der Bürger beachteten sie nicht, nur ein paar Männer grinsten ihnen zu oder deuteten spöttisch eine Verbeugung an. Eine Frau im einfachen Gewand der Beginen starrte die Frauen an, bekreuzigte sich und ging dann rasch weiter.
    »Heuchlerin«, zischte Marthe. »Die sollen gar nicht so heilig tun. Die meisten von ihnen sind Ketzerinnen. Wartet es nur ab, wir werden noch einige brennen sehen!«
    Anna riss die Augen auf. »Bist du sicher? Glaubst du wirklich, der Bischof würde sie auf den Scheiterhaufen schicken?«
    Jeanne zuckte mit den Schultern. »Bei uns daheim haben sie viele Ketzer verbrannt, und von den Beginen hört man immer wieder, dass ihre Häuser geschlossen und die Frauen vertrieben werden, weil sie es mit der reinen Lehre nicht so eng sehen.«
    »Aber sie gleich verbrennen?«, flüsterte Anna.
    Gret tätschelte ihr die Schulter. »Reg dich nicht auf, Kind, uns jedenfalls kann nichts passieren, so fromm und gottesfürchtig wie wir sind!«
    Jeanne prustete los, und auch Elisabeth konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Dann können wir ja froh sein, unter der strengen Fuchtel unserer Meisterin zu leben, statt in irgendeinem sündigen Beginenhaus«, sagte Mara.
    Die Frauen lachten herzlich, ohne sich um die missbilligenden Blicke zu kümmern, die so mancher Bürger ihnen ob ihrer unangemessenen Heiterkeit an einem ernsten Feiertag zuwarf.
    Plötzlich stieß Jeanne Elisabeth in die Rippen. »Sieh mal die Frau dort drüben, wie sie zu uns herüberstarrt. Als seien wir Dämonen, die die Hölle plötzlich vor ihren Füßen ausspuckt.«
    »Oder Engel, die vom Himmel gefallen sind«, gluckste Anna.
    Elisabeth sah zur anderen Straßenseite hinüber. Sie wusste gleich, wen Jeanne meinte. Vor dem Rathaus hatten sich wie immer die ratsfähigen Familien versammelt, um die Prozession zu sehen

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