Die Dirne und der Bischof
nicht.
»Nun?« Die Magd hob das Kinn und sah die junge Frau abschätzend an.
»Ich heiße Elisabeth. Ich habe deine Herrin gestern gesehen, als sie - nun ja, als sie plötzlich in Ohnmacht fiel.«
»Ja, und?«
»Sie... sie hat etwas verloren, das ich ihr wiedergeben möchte«, endete Elisabeth.
Die Magd streckte die Hand aus. »Dann gib es mir. Ich werde es ihr bringen, oder bist du auf einen Lohn aus?«
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht, aber ich würde es ihr lieber selbst...« Sie verstummte. Oben trat eine Gestalt ans Geländer.
»Maria, wer ist da? Ich höre Stimmen! Komm her und bring mir ein neues kühles Tuch. Dieses hier ist schon wieder ganz heiß.«
»Ja, gnädige Frau, sofort. Es ist nur, hier ist ein Mädchen, das Euch sprechen will. Sie sagt, sie heißt Elisabeth und hat Euch gestern gesehen, als Ihr gefallen seid, und...«
»Die aus dem Haus in der Pleichach?«, schallte die Stimme der Hausherrin herab. Sie hatte einen panischen Klang. Elisabeth nickte zögernd.
»Ja, sie sagt...«
»Ich will sie nicht sehen! Schick sie weg! Was erdreistet sie sich, in ein anständiges Haus zu kommen? Maria! Ich ertrage das nicht!«, kreischte Catharina von Suppan. Der Magd fiel die Kinnlade herab. Sie sah von Elisabeth zu ihrer Herrin hinauf, die sich nun abrupt umdrehte, in die Stube zurücklief und die Tür hinter sich zuschlug.
»Aber was ist denn?«, fragte Maria schwach und sah Elisabeth wieder an, die erstarrt dastand. Sie hörten die Ratsherrengattin oben lamentieren. Eine andere Tür öffnete sich und entließ den ältesten Sohn des Hauses.
»Kann mir einer verraten, was dieser Aufruhr soll?«, wollte Kraft von Suppan wissen. Er blieb vor Elisabeth stehen, stemmte die Hände in die Hüften und sah sie ohne ein Lächeln an.
»Sie wollte Eure gnädige Frau Mutter sprechen, um ihr etwas zurückzugeben, das sie verloren hat - sagt sie.«
»So? Etwas zurückgeben? Was könnte das nur sein, Elisabeth?«, wollte der Sohn des Hauses wissen.
»Kann ich sie bitte sprechen? Bitte, nur für einen Moment. Es ist sehr wichtig!«
»Was könnte es Wichtiges geben, das einer Dirne das Recht gibt, in das Haus eines Ratsherrn einzudringen und zu verlangen, zur Herrin vorgelassen zu werden?«
Bei dem Wort »Dirne« stieß Maria einen erstickten Laut aus und schlug die Hände vor den Mund.
»Ich bin keine Dirne!«, stieß Elisabeth aus.
»Ach nein?« Er schickte Maria weg. Sie entfernte sich nur zögerlich. Sicher hoffte sie, noch mehr von der Unterhaltung hören zu können.
Der junge Hausherr umrundete Elisabeth und betrachtete sie eingehend. »Keine Dirne? Wie seltsam. Dann müssen mich meine Erinnerungen an ein gemeinsames Lager trügen. Und dabei gelte ich gar nicht als vergesslich.«
»Ich meine vorher«, berichtigte Elisabeth. »Ich bin nicht immer das gewesen, wozu ich heute gezwungen werde.«
»Keine wird als Dirne geboren! Doch ist man erst einmal eine, dann bleibt man es, und keiner kann und wird das jemals ändern!«
Elisabeth war es plötzlich kalt. Sie schlang die Arme um ihren Leib und zitterte. »Ihr wisst, dass ich einst jemand anderes war.«
»Nein. Welch merkwürdiger Gedanke. Ich habe dich vor einer Woche im Frauenhaus zum ersten Mal gesehen.«
»Aber Eure Mutter weiß es. Deshalb ist sie in Ohnmacht gefallen!«
Kraft von Suppan machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, meine Mutter fällt andauernd in Ohnmacht. Das hat nichts weiter zu bedeuten. Sie hat ein unruhiges Gemüt und wird ständig zur Ader gelassen, doch mit ihren Stimmungen wird es nicht besser.«
»Und dennoch glaube ich, dass sie mich wiedererkannt hat und mir sagen kann, woher ich komme. Wenn Ihr mir nur diese eine Frage gestattet, dann schwöre ich, dass ich Euch nie wieder belästige!« Flehend hob die junge Frau die Hände.
Kraft von Suppan packte sie hart am Oberarm. Seine Miene war kalt.
»Nichts wirst du sie fragen. Du wirst dich von meiner Mutter, ja von unserer ganzen Familie fernhalten, dreckige Hure. Wenn du es wagst, auch nur ein Wort an einen von uns zu richten, dann bist du ein Fall für den Schultheiß! Und glaube nicht, dass ich nicht die Macht dazu hätte. Was meinst du wohl, was passiert, wenn ich ihm sage, du hättest mich bei meinem letzten Besuch im Frauenhaus bestohlen? Wem würden sie wohl Glauben schenken? Dir oder mir? Sei vorsichtig, wenn du nicht ein paar Teile deines Körpers unter dem Henkersbeil verlieren willst!« Er ließ sie los und stieß sie in Richtung Tür.
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