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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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und voll Stolz auf die Ratsherren in ihrer Familie zu blicken, die mit dem Zug laufen würden. Etwas links erkannte sie Otilia Maintaler und drei kleinere Kinder. Die streng dreinblickende Frau, die sie in der Vorratskammer überrascht hatte, war auch dabei. Sie war einfach gekleidet, das Haar unter einer streng gebundenen Haube verborgen, und stand ein wenig im Hintergrund. Also war sie wohl doch eine langjährige Magd der Familie, die sich der Erziehung der Kinder angenommen hatte. Elisabeths Blick wanderte weiter zu der Person, die Jeanne gemeint hatte. Ungefähr in der Mitte stand eine groß gewachsene, blonde Frau, die sich sehr gerade hielt. Ihre herben Gesichtszüge waren erstarrt, und ihr Blick fixierte die Bewohnerinnen des Frauenhauses. Ihr Mund war leicht geöffnet, doch sie sprach die Worte nicht aus, die kurz zuvor vermutlich noch ihren Sinn bewegt hatten. Sie wirkte, als sei sie wie Lots Frau zur Salzsäule erstarrt.
    »Wer ist denn die?«, fragte Anna und streckt die Zungenspitze heraus.
    »Lass das!«, schimpfte Gret. »Sie ist das Eheweib von Ratsherr von Suppan, der mit den Domherren im Oberrat sitzt. Mit solch einer Familie sollte man sich nicht anlegen.«
    »Deshalb braucht sie trotzdem nicht so zu uns herüberzustarren«, murrte Anna.
    Elisabeth spürte, wie der Blick sie durchdrang. Es war, als würde er auch sie lähmen. Heiße Wellen rannen durch ihren Körper, ihr Kopf fühlte sich an, als sei er mit Daunenfedern gefüllt. Ein junger Mann trat zu der Frau und griff nach ihrem Arm. Anscheinend war ihm ihr seltsames Verhalten aufgefallen, und er erkundigte sich, was mit ihr los sei. Sie hob kraftlos den Arm, als bewege sie sich im Schlaf, und deutete zu den Frauen hinüber. Der Mann hob suchend den Blick, bis er Elisabeths traf. Ein Grinsen huschte über sein noch burschenhaftes Antlitz. Er war nur wenige Jahre älter als sie selbst. Nun erkannte auch Elisabeth ihn wieder. Sie hatte erst vor ein paar Tagen seinen Wünschen gedient und mit ihm eine der Matratzen geteilt. Sie hatte gewusst, dass er der Sohn einer angesehenen Familie in Würzburg war. Nun, wenn sie die Züge mit denen der Frau neben ihm verglich, dann musste er wohl zur Familie von Suppan gehören. Elisabeth las die Frage von den verzerrten Lippen der Ratsherrenfrau.
    »Wer ist sie? Kennst du sie?«
    Der Sohn zögerte und nickte dann widerstrebend. Als er sich zu der Frau beugte und ihr die Antwort ins Ohr flüsterte, verlor die Ratsherrengattin auch noch den letzten Rest an Farbe. Ihre Wangen wurden totenbleich, ihr Blick schweifte in die Ferne. Noch ehe ihr Sohn ahnen konnte, was seine Worte angerichtet hatten, brach sie ohnmächtig auf dem Straßenpflaster zusammen. Ein kleiner Tumult brachte die Reihen der edlen Familien in Unordnung. Bedächtig - um ihre teuren Gewänder nicht zu beschmutzen - beugten sich Mitglieder anderer Ratsfamilien herab. Helfende Hände schlossen sich um die schlaffe Gestalt. Suchend sah sich der Sohn um und deutete dann zum Rathaus hinüber. Die anderen gafften, während sie die Ohnmächtige durch das Tor des Grafeneckart trugen. Sie achteten nicht mehr auf die Domstraße und auf den getragenen Gesang der Chorknaben, die sich nun näherten.
    So verpassten die wichtigen Familien den Beginn der Prozession und den Aufmarsch der Ratsherren, die mit stolz geschwellter Brust vorbeimarschierten.
    Auch Anna, Gret und Jeanne beobachteten den Aufruhr vor dem Rathaus. Prozessionen gab es in Würzburg genug!
    »Ich wusste ja gar nicht, dass wir solch eine abschreckende Wirkung haben«, kicherte Jeanne.
    »Er hat ihr gesagt, dass wir sündige Dirnen sind, und da ist das Leben aus ihr gewichen«, prustete Gret.
    Anna verdrehte die Augen, stieß einen theatralischen Seufzer aus und ließ sich gegen Grets Brust sinken. »Das ist zu viel für meine zarten Nerven! Dirnen hier in der Domstraße, und das auch noch am heiligen Feiertag!«
    »Hör auf!«, japste Jeanne und hielt sich den Bauch. Die Umstehenden warfen den Frauen missbilligende Blicke zu und rückten ein wenig von ihnen ab.
    Elisabeth lachte nicht mit ihnen. Sie starrte noch immer zur anderen Straßenseite hinüber, wo die Frau gestanden hatte. Auch als sich die Zuschauermenge auflöste und die Menschen zu den Verkaufsständen schlenderten oder nach Hause zu einem Feiertagsmahl strebten, folgte Elisabeth ihren Begleiterinnen still, den Kopf gesenkt.
    »Lissi, was ist mit dir?«, fragte Jeanne. »Warum siehst du so traurig drein? Es ist ein herrlicher Tag!

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