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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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überspannt und ihrem Bischof einmal zu viel die Stirn geboten!«
    »Dann gnade uns Gott«, murmelte die Oberin und bekreuzigte sich.
    »Das werdet ihr nicht glauben!«, riefAnna, die mit wehen den Haaren über die Wiese gerannt kam. Ihr folgte Mara, die gleichfalls recht aufgelöst wirkte. Es war gerade erst hell geworden, doch die Frauen saßen bereits draußen beim Frühmahl zusammen, wie sie es nun immer taten, seit der späte August mit seinen heißen Tagen anhielt.
    »Es war ein Fehler, die beiden zu schicken«, brummte die Wirtin unwillig und herrschte die jungen Frauen an: »Was werden wir nicht glauben? Und wo ist die Milch, die ihr für Jeanne besorgen solltet?«
    »Oh!« Anna blieb unvermittelt stehen und drehte sich hilfesuchend zu Mara um. »Das haben wir in der Aufregung ganz vergessen.«
    Die Meisterin fragte nicht lange nach, sie ohrfeigte beide Frauen. »Man könnte meinen, euch ist es egal, ob Jeanne wieder gesund wird oder ob sie elendig krepieren muss.«
    Anna schossen Tränen in die Augen. »Aber nein, Meisterin, das darfst du nicht von uns denken. Jeanne ist uns lieb und teuer, aber jetzt steht vielleicht unser aller Leben auf dem Spiel!«
    »Was? Was redest du da für einen Unsinn?«, schimpfte die Meisterin.
    »Doch, es ist wahr«, rief Mara dazwischen. »Die Mauerwächter reden ganz aufgeregt davon. Heute Nacht ist ein gro ßes Heer vor der Stadt aufgezogen mit einer Menge Ritter und Fußvolk, um unsere Mauern zu belagern.«
    »Unsinn!«, wiederholte die Meisterin. »Der Rat hätte längst die Sturmglocken geläutet.«
    »Drunten in der Vorstadt Sand tun sie das längst, seit sie das Heer von Süden her haben anrücken sehen.« Wie um Maras Worten Gewicht zu verleihen, begannen nun auch die Glocken des Doms, des Neumünsters und der anderen Kirchen der inneren Stadt Alarm zu läuten. Zuletzt fiel auch die Glocke von St. Gertraud ein. Die Frauen sahen zu dem Kirchturm hinüber, der sich hinter den nahen Häusern der Vorstadt Pleichach erhob. Für einige Augenblicke schwiegen sie. Furcht breitete sich unter ihnen aus, bis sich Else energisch umwandte.
    »Ihr bleibt hier, und rührt euch nicht von der Stelle. Ich gehe nachsehen, was das wirklich zu bedeuten hat.« Sie stürmte davon.
    »Wir sollen hier in dieser Ungewissheit tatenlos rumsitzen und warten, während die Angreifer - wer auch immer sie sein mögen -vielleicht schon in die Vorstadt Sand eindringen und den Bürgern die Kehlen durchschneiden? Das kann sie doch nicht von uns verlangen!«, rief Gret aus.
    »Was wollen sie hier?«, fragte Mara.
    »Man muss den Bischof benachrichtigen. Er muss uns mit seinen Rittern verteidigen«, sagte Anna in jämmerlichem Ton.
    »Ach, du meinst, wir sollen zur Festung raufgehen und dem Bischof Bescheid sagen? Das ist ein guter Einfall. Darauf hat er gewartet, dass ein paar Dirnen seine Stadt retten!«, wandte Marthe höhnisch ein.
    »Ich habe ja nicht gesagt, dass wir das tun müssen«, verteidigte sich Anna. Ihre Wangen glühten.
    »Ich denke, er weiß es bereits«, sagte Elisabeth und legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Dennoch möchte auch ich wissen, was das bedeutet. - Und außerdem sollen wir doch Milch für Jeanne besorgen, nicht wahr?« Sie warf Gret einen Blick zu. Diese grinste grimmig.
    »Ja, das sollten wir unbedingt!« Sie nahm Mara die leere Kanne aus der Hand. »Ihr habt gehört, was die Meisterin gesagt hat. Ihr rührt euch hier nicht von der Stelle!« Ohne sich um die empörten Ausrufe der anderen zu kümmern, hakte Gret sich bei Elisabeth unter und eilte mit ihr davon.
    Als Erstes gingen sie, die Kanne füllen zu lassen, doch Cuntz Wirtenberg wusste nur wirre Gerüchte zu berichten.
    »Vielleicht wissen die Torwächter mehr«, überlegte Gret laut.
    Sie fragten die beiden Männer am inneren Tor zur Stadt, die aber auch nicht mehr wussten. Unzufrieden sahen die beiden Frauen einander an.
    »Sollen wir selbst auf die Mauer steigen und hinübersehen, ob sie den Ring um die Stadt schon zugezogen haben?«, schlug Elisabeth vor.
    Die Frauen hasteten über den Kirchhof von St. Gertraud zum Kloster St. Marx. Die Mauern des Klosters reichten nicht nur bis an die Stadtmauer heran. Der lange, nach Norden ausgerichtete Hauptbau ragte sogar über den äußeren Stadtgraben hinaus und überspannte ihn auf zwei gewölbten Bögen. Darüber befanden sich die heimlichen Gemächer. In Friedenszeiten war diese Anlage sicher eine gute Sache, im Krieg jedoch nicht ungefährlich. Die Schwestern

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