Die Dirne und der Bischof
übrig, als den Dingen ihren Lauf zu lassen. Du wirst den Trunk morgen abholen und Jeanne geben - und dann will ich hoffen, dass sie für so viel Geld auch gesund wird und ihre Arbeit wieder aufnehmen kann.«
»Danke, Meisterin«, würgte Elisabeth hervor und wankte steifbeinig, aber mit hoch erhobenem Haupt zum Frauenhaus zurück.
In der Nacht fand sie kaum Schlaf. Nicht nur, dass ihr Rücken schmerzte, obwohl Ester ihr versicherte, es sei nicht so schlimm, wie es sich im Moment anfühle. Die wenigen blutigen Striemen seien nicht tief und würden verheilen. Auch ihre Sorge um Jeanne trieb Elisabeth ein paar Mal aus dem Bett zu Ester, die neben ihrem Lager kauerte, eine Lampe vor sich auf dem Boden.
»Wie geht es ihr?«
Ester schüttelte den Kopf. »Sie wird nicht mehr klar und bekommt nur schwer Luft. Ich fürchte, wenn das Mittel des Paters nicht ein Wunder wirkt, geht es bald mit ihr zu Ende.« Elisabeth setzte sich neben Ester.
»Geh doch zurück in dein Bett und schlafe. Wir können ihr gerade eh nicht helfen. Und du hast bereits mehr als genug für sie getan!«
»Ich kann nicht schlafen. Da kann ich dir genauso gut Gesellschaft leisten«, widersprach Elisabeth. »Und außerdem tut es im Sitzen am wenigsten weh.«
So saßen sie beieinander. Meist schwiegen sie und beobachteten hilflos Jeannes Kampf mit dem Fieber.
Als das erste Grau des Morgens das Pergament der Fenster erhellte, erhob sich Elisabeth steif und machte sich auf den Weg zum Kloster der Franziskaner. Pater Antonius hatte Wort gehalten, und das Fläschchen stand schon für sie bereit. Sie dankte dem Portner, der nur unwillig brummte, und eilte zurück zum Frauenhaus. Sie flößten Jeanne zwei Löffel des Tranks und ein wenig Brühe ein, wie der Pater es gesagt hatte. Dann blieb ihnen nur zu warten. Am Abend gab es noch keine Veränderung. Wieder zwangen sie Jeanne, die Medizin zu sich zu nehmen. Sie schrie und wehrte sich, fiel aber dann apathisch auf ihr Bett zurück, sodass nur noch ihr röchelnder Atem zu hören war. Am Morgen verkündete Ester, sie glaube, das Fieber sei ein wenig gefallen. In den nächsten Stunden schwitzte Jeanne so, dass die Frauen dreimal die feuchte Decke wechselten. Dann am Abend, bevor die ersten Gäste erschienen, erwachte Jeanne. Mit klarem Blick sah sie sich um, bis sie Ester erkannte.
»Ich bin so durstig«, krächzte sie mit heiserer Stimme. Ester sprang auf und umarmte Jeanne.
»Aua, du tust mir weh«, beklagte sich diese. »Bring mir Wein!«
Ester lachte mit Tränen in den Augen. »Suppe bekommst du, hat der Pater gesagt, und Milch. Sie wird dich kräftigen. Ach Jeanne, wir hatten dich schon fast aufgegeben, aber ich glaube, nun hast du es geschafft.«
»Mich aufgegeben«, brummelte sie. »Das könnte euch so passen!« Sie lächelte schwach. Ohne Protest trank sie die warme Brühe. Dann schlief sie ein. Ihr Atem war ruhiger geworden. Der Husten ließ nach.
Mit jedem Tag wurde Jeanne kräftiger, und am Samstag verließ sie zum ersten Mal auf wackeligen Beinen das Bett, um sich zu den anderen draußen im Schatten eines Baumes ins Gras zu setzen. Am Abend trat Elisabeth zu Else und sprach sie an. Seit dem Zwischenfall hatte sie jedes direkte Wort mit der Meisterin gemieden, doch nun brach sie das Schweigen.
»Meisterin, dürfte ich dich um ein kleines Blatt Papier, eine Feder und ein wenig Tinte bitten?«
»Wozu?«, entgegnete sie knapp. Offensichtlich hatte sie ihr den Diebstahl und ihr eigenmächtiges Handeln noch nicht verziehen. Wobei Elisabeth vermutete, dass der Diebstahl für die Meisterin schwerer wog.
»Ich möchte Pater Antonius schreiben, ihm von Jeannes Genesung berichten und ihm für seine Hilfe danken.«
»Hm.« Die Meisterin starrte sie an.
»Bitte. Ohne seine Medizin wäre Jeanne sicher gestorben.«
»Das können wir nicht wissen«, wehrte Else ab. »Aber vermutlich ist das schon richtig«, gab sie dann doch widerstrebend zu. Elisabeth sah, wie sie mit sich rang. Alle Ausgaben schmerzten sie, und wie viel mehr solche, die in ihren Augen unnötig waren!
»Ich will das Blatt auch bezahlen.«
»Nun gut, wenn du unbedingt willst. Folge mir!« Elisabeth ging hinter der Meisterin zu deren Häuschen. Den ganzen Weg über schimpfte Else Eberlin leise vor sich hin.
»So etwas Unnötiges«, hörte Elisabeth sie sagen. »Verschwendung von teurem Papier« und: »Gefühlsduselei«. Doch Elisabeth tat so, als würde sie nichts hören.
»Setz dich«, sagte die Meisterin barsch und wies auf den
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