Die Dirne und der Bischof
hatten sich beim Rat verpflichten müssen, diesem in Kriegszeiten zu gestatten, diesen Abschnitt der Mauer ebenfalls mit Männern der Bürgerwehr besetzen zu dürfen.
Die Frauen sahen sich um. Links erhoben sich die beiden kleinen Türme, die das äußere Pleichacher Tor flankierten, dahinter, direkt am Ufer des Mains, ragte derhohe Faulturm auf. Über einen der Haupttürme konnten sie nicht auf den Wehrgang kommen. Die Wachen würden ihnen sicher den Weg versperren.
»Wir nehmen die Treppe am Gartentörlein«, schlug Gret vor. »Dann sind wir auch schneller wieder zurück - nicht, dass die Meisterin unser Fehlen bemerkt.«
Elisabeth nickte. Gret kannte sich hier bestimmt besser aus als sie. So eilten die Frauen am Kloster vorbei und folgten dann der Stadtmauer bis zu dem kleinen Törlein, neben dem eine Treppe auf den Wehrgang hinaufführte. Entlang diesem Mauerabschnitt waren die Türme nur als halbrunde Letzen ausgebaut und normalerweise nicht von Wächtern besetzt. Mit gerafften Röcken hasteten die Frauen die Stufen hinauf. Schwer atmend stürzten sie auf den Wehrgang hinaus und sahen nach Norden über die Wiesen und Weinberge. Zwar hemmten einige Hecken und Obstbäume ihre Sicht, doch soweit sie sehen konnten, war kein Ritter in Kriegsrüstung zu entdecken.
»Vielleicht ist das alles nur ein Scherz«, vermutete Gret. »Ich kann nichts Ungewöhnliches sehen.«
»Ein seltsamer Scherz. Und warum läuten dann die Sturmglocken?«
»Es könnte sich um ein Missverständnis handeln. Ein paar Ritter auf der Durchreise, auf einem Zug, der uns nicht betrifft und uns nichts angeht«, schlug Gret vor.
Elisabeth war nicht überzeugt. Sie beschirmte die Augen, obwohl die Sonne, die erst tief im Osten stand, sie gar nicht blenden konnte, und ließ den Blick noch einmal schweifen. »Da!«, rief sie. »Siehst du das dort drüben?« Gret beugte sich ein wenig nach vorn und folgte mit den Augen der angegebenen Richtung. Auf der Straße am Mainufer näherten sich Karren, Bauern mit Vieh und einige Grüppchen von Menschen, die es sichtlich eilig hatten, das Stadttor zu erreichen.
»Das sind keine Ritter. Ja, ich sehe gar keine Bewaffneten. Es sind nur ein paar Bauern mit ihrem Vieh.«
»Und mit ihren Frauen und Kindern«, ergänzte Elisabeth. »Sie haben es ungewöhnlich eilig, das Tor zu erreichen!«
Gret starrte auf den Zug, der sich, eine Staubwolke hinter sich herziehend, der Stadt näherte.
»Du meinst, sie kommen nicht einfach zum Markt? Sie wollen sich hinter den schützenden Stadtmauern in Sicherheit bringen?«
Elisabeth nickte. »Ja, das glaube ich. Sie sind auf der Flucht vor dem Heer, das wir von hier aus nicht sehen können. Das aber irgendwo in der Nähe lagert.«
»Dann ist es also wahr«, sagte Gret noch immer ein wenig ungläubig. »Würzburg wird belagert!«
Die beiden beschlossen, zum Frauenhaus zurückzukehren. Schließlich wollten sie nicht den Zorn der Meisterin auf sich ziehen, und hier würden sie im Moment nicht mehr erfahren. Sie eilten die Treppe hinunter und stießen unten fast mit vier Männern zusammen. Es waren der Bürgermeister Bucke, der Viertelmeister der Vorstadt Pleichach, ein den Frauen unbekannter Wächter - und Meister Thürner, der Henker. Der zog erstaunt die Augenbrauen zusammen, als er die beiden Frauen erkannte.
»Wollt ihr mir nicht verraten, was ihr dort oben auf der Brustwehr zu suchen hattet?«, fragte er.
»Wir haben nach dem Feind Ausschau gehalten, den die Sturmglocken verkünden, doch es ist niemand zu sehen«, gab Elisabeth Auskunft.
»Und dennoch glauben wir, dass er sich dort draußen irgendwo verbirgt«, fügte Gret hinzu. »Die Häcker und Bauern fliehen in die Stadt.«
»Habt Ihr das Heer gesehen? Wer ist es, der Würzburg Böses will? Wie viele Männer hat er mitgebracht?«, drängte Elisabeth.
»Das sind Dinge, mit denen sich unser Herr Bürgermeister, die Viertelmeister und Hauptleute der Stadt beschäftigen müssen, nicht ihr. Weiß Else überhaupt, dass ihr hier seid?« Die beiden Frauen senkten die Köpfe. »Aha, das habe ich mir gedacht.« Der Henker wandte sich an seine Begleiter. »Ich bringe die beiden rasch zum Frauenhaus zurück und schließe mich Euch am Tor wieder an.«
Gret und Elisabeth waren enttäuscht, wagten dem Henker jedoch nicht zu widersprechen.
»Wollt Ihr uns denn gar nichts verraten, Meister Thürner? Ist es nicht auch unsere Haut, die von den fremden Geharnischten bedroht wird?«, fragte Elisabeth, als sie außer Hörweite der
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