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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ich ihn aber nicht, doch von der Rückseite des Stalls hörte ich Geräusche. Leise trat ich näher, und dann packte mich unsagbares Entsetzen. Ich sah den Rücken eines jungen Mannes in einem kurzen Wams, nackte Hinterbacken und Schenkel und heruntergelassene Hosen und vor ihm meine kleine Schwester, bäuchlings über den Hackklotz gelegt mit erhobenem Rock. Sie wimmerte leise, während er so heftig in sie stieß, als wolle er sie mit einem Schwert durchbohren. Sie war noch nicht einmal sieben Jahre alt! Mich packte eine unbeschreibliche Wut. Ich griff nach der Mistgabel, die an der Stalltür lehnte, rannte los und bohrte sie ihm in den Leib, dass die Spitzen an der Brust wieder zum Vorschein kamen. Er gab nur ein leises Stöhnen von sich und kippte zur Seite. Erst jetzt konnte ich sein Gesicht sehen. Es war nicht der Gaukler, dem wir Unterschlupf gewährt hatten. Er war der Sohn des reichsten Bauern des Dorfes. Seit ich denken konnte, war er der Ortsvorsteher, Richter, Schultheiß - ja der König des Reiches, das ich bis dahin kannte. Und nun hatte ich seinen ältesten Sohn mit der Mistgabel erstochen.«
    »Hättest du ihn auch erstochen, wenn du vorher gewusst hättest, wer er war?«, erkundigte sich Gret.
    Jeanne hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Vielleicht war es gut, dass ich ihn vorher nicht erkannt hatte. Jedenfalls geriet ich in Panik. Ich half meiner Schwester, sich anzuziehen, und brachte sie zurück ins Haus. Ich ließ sie schwören, niemandem etwas zu sagen. Dann zog ich den Toten bis in den Fluss, der gleich hinter dem Gemüsegarten vorbeifloss. Tja, und dann habe ich noch in derselben Nacht meine Heimat verlassen. Ich war überzeugt, dass meine ganze Familie sonst für meine unbedachte Tat mit ihrem Leben bezahlen müsste. So landete ich also auf der Landstraße und zog immer weiter nach Osten - bis mich unsere Meisterin vor den Toren von Würzburg aufsammelte und hierher mitnahm. Ich sage euch, das Frauenhaus war für mich ein Ort der Ruhe und der Sicherheit. Fast ein neues Zuhause nach zwei Jahren auf der Straße.«
    »Weißt du, was aus dem Gaukler geworden ist?«, fragte Elisabeth.
    Jeanne schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe ihn niemals wiedergesehen. Ich denke, er hat etwas gemerkt und entschieden, dass es besser sei, sich sofort davonzumachen, ehe er als Sündenbock herhalten und für einen anderen seinen Kopf geben muss. Ich kann ihm keinen Vorwurf machen.«
    Am Frauenhaus erwartete sie die Meisterin, nahm ihnen den Korb ab und zählte das Wechselgeld zweimal nach. Dann kehrte ihr Blick zu den drei Frauen zurück.
    »Was ist los? Ihr schaut so seltsam drein. Was hat euch die Petersilie verhagelt? Heraus mit der Sprache!«
    Gret schnaubte durch die Nase. »Diese Burg in unserer Stadt ist mehr als nur Hagel im Kräuterbeet! Unermüdlich arbeiten sie mit einem Heer an Maurern und Knechten, während ein paar Bewaffnete um die Baustelle patrouillieren. Sie tun gut daran, Wache zu halten. Aber es wird ihnen nichts nützen! Die Bürger werden es sich nicht gefallen lassen. Sie werden sich wehren. Sie müssen sich wehren, ehe es zu spät ist und der Bischof seine Büchsen mitten unter uns in Stellung bringen kann. Dann kann er uns bedrohen, wann immer es ihm beliebt!« Grets Stimme war stetig lauter geworden, und nun endete sie schwer atmend, als sei sie gelaufen. Die warnenden Blicke, die Jeanne und Elisabeth ihr zuwarfen, ignorierte sie.
    »Ihr habt euch also den Baufortschritt angesehen«, sagte die Meisterin und ließ den Blick über die drei Frauen wandern, die widerstrebend nickten. Es jetzt noch zuleugnen, wäre sinnlos. Zu Elisabeths Überraschung nickte die Meisterin nur und machte ein nachdenkliches Gesicht.
    »Ja, es ist eine Schande, dass sie alle nur zusehen. Später wird das Gejammer groß sein, wenn der letzte Stein gesetzt ist und der Bischof mit dem Geschenk auch spielen will, das so leicht in seinen Schoß gefallen ist. Aber dann ist es zu spät. Dann können wir nur noch den Kopf einziehen und nachgeben. Ich bin nur froh, dass unser Haus an der Pleichach steht und nicht in der Vorstadt Sand.« Plötzlich kehrte der strenge Blick zurück, den die Meisterin gewöhnlich zur Schau trug.
    »Was steht ihr hier noch herum? Macht, dass ihr ins Haus kommt und euch für den Abend richtet. Ihr könnt schon einmal Brot und Käse aufschneiden und die geräucherte Wurst. Die Gäste kommen bald.« Mit einer Handbewegung, mit der man gewöhnlich

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