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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Lagerfeuer erhitzen mehrere Töpfe. Das gluckernde Geräusch des Wassers beruhigte Elisabeths Gemüt.
    »Glaub mir, das Bad wird dir guttun.« Fragend sah Rosi sich um. »Wo ist das Mäuschen denn nur wieder? Bela!«
    Mit geschickten Handgriffen zog Rosi ihr das Kleid vom Leib, sodass Elisabeth nackt vor dem Zuber stand. Voller Scham bedeckte sie ihre intimsten Stellen.
    »Du musst dich nicht schämen. Glaube mir, Kind, wir sehen alle gleich aus. Zwar nicht so schön wie du, und bei mir ist es schon ein paar Jahre her, dass die Nippel so vorzüglich standen, aber im Großen und Ganzen stimmt es noch.«
    Sie lachte über ihren eigenen Scherz und rief nochmals den Namen des Mädchens.
    »Du hast gerufen, Mutter?«, ertönte es hinter Elisabeth.
    Sie blickte über ihre Schulter und sofort fuhr ihr ein Schaudern durch Mark und Bein. In einem blauen Faltrock stand ein junges Mädchen vor ihr und blickte schüchtern zu Boden. Lange rabenschwarze Haare flossen an seinem Körper herab und rahmten das wunderschöne elfenbeinfarbene Gesicht ein. Sie kannte diesen Ausdruck, sie kannte diese undurchdringlichen dunklen Augen, die schwarz waren wie Rabenfedern, in denen nichts zu lesen war. Das junge Mädchen war das Ebenbild Antonellas.
    Plötzlich war der Schwindel in Elisabeths Kopf wieder da, und sie vergaß für einen Moment, dass sie völlig nackt war.
    »Da bist du ja endlich«, herrschte Rosi. »Hilf unserem Neuzugang, abermals ein richtig hübsches Mädchen zu werden. Erst ein Bad, danach die Haare auswaschen. Aber pass mit ihrer Wunde auf. Sie hat sich übel geschnitten.«
    »Ja, Mutter«, hauchte das Mädchen und machte sich sofort daran, heißes Wasser in den Zuber zu gießen.
    Elisabeth konnte die Augen nicht von ihr nehmen. Ihre grazilen Bewegungen, die katzengleiche Schüchternheit, alles erinnerte sie an ihre Schwester. Sogar ihre zarte Haut war die gleiche, dachte Elisabeth, als Bela ihr in den Zuber half.
    Das konnte nicht sein, ihr Verstand spielte ihr einen Streich. Schließlich war sie noch schwach, konnte sich gerade auf den Beinen halten. Es waren ihre verstaubten Erinnerungen, die sich einen Scherz mit ihr erlaubten.
    »Ich lasse euch beide jetzt alleine. Vor Anbruch der Nacht sind noch viele Mädchen hübsch zu machen. Außerdem muss ich die ersten Ansuchen für heute entgegennehmen.«
    Vorsichtig löste sie Elisabeths Verband. »Und du kommst gleich noch zu mir, wir machen dir einen frischen Umschlag.« Mit diesen Worten verschwand Rosi und die beiden Mädchen waren im Holzverschlag allein.
    Es dauerte etliche Momente, bis Elisabeth sich entspannte. Sie verdrängte die finsteren Gedanken, die in ihrem Kopf herumspukten und ihren Geist malträtierten. Ein kurzer Seufzer entsprang ihrer Kehle, als sie sich zurücklehnte und langsam spürte, wie Wärme in ihr hochstieg. Bei jedem Wasserschwall, der hinzugegossen wurde, schloss sie die Augen ein wenig mehr und genoss, wie das Nass wohlig ihre Haut umspülte. Wie lange hatte sie kein Bad mehr genommen? Wie lange nicht mehr die hauchzarten Berührungen des warmen Wassers gespürt? Es musste eine Ewigkeit her sein.
    Als Bela mit einem Stück Seife ihre Haare einrieb, glitt Elisabeth in einen entspannenden Halbschlaf hinüber. Mit kräftigen Bewegungen massierte das Mädchen den Schaum ein. Minutenlang genoss Elisabeth diese Behandlung, bis die dunklen Überlegungen den Weg zurück in ihren Geist fanden und sie aufschrecken ließen.
    Hatte sie diese Wohltat überhaupt verdient? Natürlich nicht, ein qualvoller Tod wäre das einzig Gerechte, was ihr wiederfahren sollte. Ihre Schwester hatte einen grausamen Flammentod gefunden, sie hingegen ließ sich waschen und das Essen bringen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
    »Habe ich etwas falsch gemacht?«, wollte Bela furchtsam wissen. Zum ersten Mal trafen sich die Blicke der beiden Mädchen.
    Dieser Ausdruck, diese Augen … »Nein, es ist alles wunderbar. Hab vielen Dank. Ich glaube nur nicht, dass ich das alles hier verdient habe. Eigentlich war für mich eine andere Behandlung vorgesehen«, sagte Elisabeth mit Blick auf ihre Wunde und lehnte ihren Rücken an das Holz des Zubers.
    Behutsam setzte Bela neu an und strich zärtlich über ihre Kopfhaut. »Deine Wunde sieht schlimm aus. Was ist passiert?«
    Elisabeth überlegte einen Moment. Rosi würde ihre Gründe haben, dass sie nicht allzu viel von ihr preisgab, also wollte auch sie nicht zu viel erzählen. »Ich habe mich geschnitten, als ich Fleisch zerteilen

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