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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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wollte.«
    Bela seufzte kurz auf. Ein amüsierter, ungläubiger Seufzer. Hatte sie richtig gehört? Als ob jemand eine Geschichte erzählte, die man nicht glauben konnte.
    »Mir ist das ebenfalls passiert.« Das Mädchen kam näher und zeigte Elisabeth seinen Unterarm. Eine weiße Narbe stach hervor, genau an der Stelle, an der auch Elisabeth das Messer angesetzt hatte. Sofort verstand sie.
    Während die Vögel mit ausgebreiteten Schwingen über ihnen kreisten und wenige Fuß von ihnen entfernt die Hessen ihre Schlafplätze vorbereiteten, lag eine unheimliche Stille zwischen den beiden Mädchen.
    »Ist sie wirklich deine Mutter?«, wollte Elisabeth wissen, darauf bedacht, schnell das Thema zu wechseln.
    »Sie ist unser aller Mutter. Ohne sie wären wir verloren«, antworte Bela ruhig. »Im letzten Jahr nahm sie mich auf, als … als ich mich geschnitten habe. Seitdem reisen wir dorthin, wo die Soldaten hinziehen.«
    Elisabeth blickte ins Wasser. Nachdenklich ließ sie die Flüssigkeit zwischen ihre Finger hindurchgleiten. »Wie alt bist du, Bela?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete das Mädchen. »Mutter Rosi sagt immer, dass ich fünfzehn oder sechzehn sein muss. Ich habe in vielen Waisenhäusern gelebt, war bei dieser oder jener Familie im Dienst.« Sie sagte das, als würde sie über das Wetter oder eine gute Ernte sprechen. Anscheinend hatte sie die Geschichte schon so oft erzählt, dass sie sie nicht mehr schmerzte. »Irgendwann war ich mit dem Herrn des Hauses allein. Er berührte mich und wollte mich küssen. Doch ich verstand nicht, was er wollte, weshalb war mir eine Tracht Prügel gewiss war. Er schlug mich so häufig, dass ich keinen anderen Ausweg wusste. Da nahm ich ein Messer und bohrte es ihm in den Hals.«
    Elisabeths Augen weiteten sich. Dieses junge Mädchen sollte jemanden getötet haben?
    »Also lief ich fort. Ohne Essen, ohne Geld, der Körper zerschunden.« Ihre ohnehin leise Stimme wurde beinahe tonlos. »Ich habe versucht, mir Essen zu besorgen, gebettelt und gefleht. Niemand wollte mir etwas geben.«
    Belas Bewegungen erstarrten. Sie war ganz tief in ihren Erinnerungen versunken und durchlebte diese grausige Zeit erneut.
    Elisabeth wusste nicht warum, doch aus irgendeinem Grund fühlte sie sich dem Mädchen direkt verbunden. »Was ist dann passiert?«
    »Bis zum dritten Tag hab ich es ausgehalten«, fuhr Bela fort. »Irgendwann wurde der Hunger übermächtig. Mein Magen zerrte und drückte, er schien sich zu dehnen und gleichzeitig zusammenzuziehen. Ich war nicht mehr imstande, einen klaren Gedanken zu fassen. Also nahm ich ein Messer und wollte den Schmerz beenden.«
    Elisabeth drehte ihren Kopf und sah in ihre Augen. Sie erblickte Trauer, Angst, aber auch Dankbarkeit darin, dass diese Zeit ein Ende gefunden hatte.
    »Hat sie dich ebenfalls in einer Scheune gefunden?«
    Ein mildes Lächeln umspielte Belas Lippen. »Nein, ich tat es direkt auf dem Marktplatz. Niemand wollte mir helfen, nur Mutter Rosi.«
    Sie lächelten sich an. Damit war zwischen ihnen endgültig ein Band geknüpft. »Du bist also auch eine …?« Das Wort kam nicht über ihre Lippen.
    »Eine Hure? Ja, obwohl Mutter Rosi nicht gerne hört, wenn man das sagt«, antwortete Bela, wusch Elisabeths Haare aus und half ihr aus dem Zuber.
    »Ist es nicht schwierig, einem fremden Mann zu Diensten zu sein?«
    Bela gluckste, als amüsiere sie diese Frage.
    »Manchmal. Am Anfang vielleicht, aber wenn du mit ihnen spielst, hast du die wahre Macht. Manche wollen nur reden und ergießen sich schnell. Bei anderen wiederum ist es eine Überwindung und sie schwitzen wie die Schweine, wenn sie auf dir drauf sind.« Anerkennend blickte sie an Elisabeths nacktem Körper herunter. »Außerdem können wir uns in diesen Zeiten die Männer aussuchen. Versuch es am Anfang mit den Hübschen, dann ist es leichter. Wenn alles nichts hilft, kannst du dir immer noch vorstellen, dass du an einem schönen Ort bist.«
    Als Bela ihr beim Ankleiden half und anschließend ihre Haare bürstete, lugte Elisabeth durch den Holzverschlag. Einige der Männer waren groß gewachsen, manche hatten schöne Gesichter, andere waren von einer Wildsau kaum zu unterscheiden.
    »Und wo ist dein schöner Ort?«, wollte Elisabeth wissen, den Blick nicht von den Soldaten nehmend.
    Bela ließ sich Zeit mit ihrer Antwort, während sie Elisabeths Haare kräftig weiterbürstete. Sie schien genau zu überlegen, bis sie mit zerbrechlicher Stimme näher an ihr Ohr kam, ganz so, als

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