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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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würde sie ihr ein Geheimnis anvertrauen wollen. »In meinen Träumen habe ich einen Mann, den es nicht interessiert, wo ich herkomme oder was ich getan habe, um zu überleben. Er ist groß und stark und bringt mich zum Lachen, wenn ich traurig bin. Gemeinsam bauen wir ein kleines Häuschen und suchen uns einen ruhigen Platz, an dem frisches Wasser fließt und all die Grausamkeit des Krieges nicht hinkommt.«
    »Das ist ein sehr schöner Traum«, hauchte Elisabeth. Langsam erhob sie sich, nahm Belas Hand und blickte ihr in die Augen. »Glaube mir, das wird alles wahr werden. Irgendwann ist dieser viel zu lange Krieg vorbei und dann wirst du solch einen Mann finden.«
    Jetzt war es Bela, die scheu zu Boden sah. »Ich hoffe es«, entgegnete sie und blickte dann auf Elisabeths Wunde. »Es ist schön, das gerade von dir zu hören.«
    Voller Scham fasste Elisabeth sich ans Handgelenk und wandte sich ab. »Hab vielen Dank, Bela. Ich … ich sollte jetzt zu Mutter Rosi gehen.«

Kapitel 6
- Ein immerwährender Beobachter -

    Das Essen war gut und reichlich. Maximilian konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal einen vollen Magen gehabt hatte. Schwester Agathe hatte ihm anschließend den Weg in sein Zimmer gewiesen, in dem bereits ein Bündel mit frischen Hosen, ein paar Hemden und einem dicken Mantel auf dem Bett lag. Der Raum glich einer Abstellkammer, trotzdem fanden ein Bett und ein kleiner Tisch darin Platz. Das Fenster der Stube ging direkt zu den Gärten hinaus. Dort sah es schlimm aus. Der Sturm hatte den ohnehin vernachlässigten Garten fast zerstört. Zumindest der Brunnen war noch funktionstüchtig, sodass Maximilian sich waschen konnte, bevor er ins Bett stieg und ein paar Stunden ruhte. Alles in allem also mehr, als er in seinem selbst gewählten Exil in den Wäldern zur Verfügung gehabt hatte. Trotzdem behagte ihm etwas nicht.
    An Schlaf war nicht zu denken. Stundenlang starrte er an das Holz und fixierte das einfache, eiserne Kreuz, das an der Wand hing. Unruhe kam in ihm auf und nistete sich in seinem Körper ein. Das Kreuz schien ihn zu verhöhnen, jeder Zoll dieses Monuments der Ungerechtigkeit erinnerte ihn an Lorenz. Sobald er die Augen schließen würde, wäre Er wieder da. Er, der das alles zugelassen hatte, der aus seinen Träumen Geschichten aus Angst und Hass machte. Maximilians Unterlippe erzitterte vor Zorn. Teils auf sich, teils auf Ihn, der die Fäden des Schicksals ungerecht und grausam gesponnen hatte.
    Schließlich stand Maximilian auf, riss das Kreuz von der Wand und schleuderte es mit aller Kraft durch das Fenster in den Garten. Endlich konnte er aufatmen. Ohne dieses Zeichen Seiner Macht schien die Luft nicht mehr so drückend zu sein und nicht länger von Angst durchzogen. Der Raum wirkte befreit auf ihn und nun war es ihm möglich, die Augen ohne Gefahr zu schließen.
    Er wusste nicht, wie lange Erschöpfung und Übermüdung ihn in den tiefen Sog des Schlafes gezogen hatten. Die Abendsonne warf gerade ihr gleißendes Licht in den Raum, als es mehrmals an der Tür pochte. Mit verschlafenen Augen zog sich Maximilian die frische Kleidung an und öffnete die Tür.
    »Du hast lange geschlafen. Ich hoffe, du bist nun ausgeruht«, sagte Schwester Agathe abschätzig. »Ein weiterer Tag Müßiggang wird dir nicht gegönnt.«
    »Ich bin in der Lage, jede Arbeit auszuführen«, schoss es aus Maximilian trotzig hervor.
    Obwohl er noch nicht ganz bei Kräften war, brannte er darauf, sich der Nonne zu beweisen. Aus stahlblauen Augen funkelten sie sich an.
    »Komm mit, der Vikar wird dich jetzt empfangen.«
    Auf dem Absatz machte sie kehrt und ging schnellen Schrittes voran. Doch Maximilian dachte nicht daran, hinter ihr zu gehen, und beschleunigte ebenfalls seinen Gang, sodass sie nebeneinander herliefen, bis sie vor einer massigen Holztür im linken Flügel des Klosters standen. Kraftvoll klopfte Agathe gegen den Rahmen.
    »Tretet ein!«, drang eine weiche Stimme von innen heraus.
    Als die Tür den Blick in den Raum freigab, ging die Nonne erneut eilig voraus, schnitt Maximilian den Weg ab und verschränkte die Hände vor dem Bauch.
    »Werter Vikar, ich darf Euch die neue Arbeitskraft vorstellen. Dies ist Maximilian Cox.«
    Die Arbeitskraft. Wie sie die Worte aussprach. Als wäre er nur ein Stück Vieh. Erst nachdem Maximilian ihr einige Sekunden die Pest an den Hals gewünscht hatte, sah er sich im Raum um und nahm die beiden Männer wahr.
    Der erste saß hinter einem massigen

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