Die Donovans 1: Die gefährliche Verlockung
„Leider funktioniert es nicht immer.“
Während sie sprach, führte sie ihn einen breiten Korridor entlang. Die Wände waren mit ausgeblichenen Wandteppichen behangen, die Szenen aus Mythen und Sagen darstellten.
Sie entschied sich für den Raum, den ihre Großmutter immer das „Zeichenzimmer“ genannt hatte. Die Wände waren in einem warmen Rosa gehalten, der antike Teppich, der auf dem Boden aus breiten Kastaniendielen lag, griff den Farbton auf. In dem großen offenen Kamin lagen säuberlich gestapelte Scheite, vorbereitet für ein warmes Feuer, wenn der Frühlingsabend kühler wurde.
Doch im Moment spielte eine laue Brise mit den langen Vorhängen der Verandatür und brachte die Düfte und Aromen des Gartens ins Haus.
Wie in ihrem Laden, so fanden sich auch hier überall Kristalle und Skulpturen. Zauberer aus Zinn, Elfen aus Bronze, Drachen aus Porzellan.
„Hübsch.“ Er strich mit den Fingerspitzen über die Saiten einer goldenen Laute und entlockte ihr damit einen warmen, sanften Ton. „Spielen Sie?“
„Wenn mir danach ist.“ Sie sah ihm belustigt zu, wie er den Raum unter die Lupe nahm. Seine ehrliche Neugier schmeichelte ihr. Er hob einen silbernen Kelch auf und roch daran. „Das riecht wie …“
„Höllenschwefel?“, schlug sie vor und warf ihm einen amüsierten Blick zu.
Er setzte den Kelch wieder ab und nahm einen dünnen Amethyststab mit eingearbeiteten Silberornamenten zur Hand. „Ein Zauberstab?“
„Natürlich, was sonst. Uberlegen Sie gut, was Sie sich wünschen.“ Sie nahm ihm den Stab vorsichtig aus den Händen.
Er zuckte nur die Schultern und drehte sich um, wodurch ihm entging, wie der Stab zu glühen begann, als Morgana ihn berührte und weglegte.
„Ich habe selbst eine Menge solcher Sachen gesammelt. Vielleicht wollen Sie es sich ja mal ansehen.“ Er beugte sich über eine Glaskugel und sah nur sein eigenes Spiegelbild. „Gerade letzte Woche habe ich auf einer Auktion eine Schamanenmaske erstanden und einen – wie nennt man es noch? – Zauberspiegel. Sieht ganz so aus, als hätten wir doch einige Dinge gemeinsam.“
„Den gleichen Geschmack in Kunstgegenständen.“
„Und in Literatur.“ Er las die Buchrücken auf dem Regal. „Lovecraft, Bradbury, Stephen King, Hunter Brown … He, ist das etwa …?“ Er zog ein Buch heraus und schlug es ehrfürchtig auf. „Die Erstausgabe von Bram Stokers ‚Dracula‘.“ Er sah zu ihr hinüber. „Wenn ich Ihnen meinen rechten Arm biete, würden Sie es mir überlassen?“
„Vielleicht komme ich auf Ihr Angebot zurück.“
„Ich habe mir immer gewünscht, dass er ‚Midnight Blood‘ gutheißen würde.“ Während er das Buch zurück ins Regal stellte, fiel sein Blick auf ein anderes. ‚Die vier goldenen Bälle‘ und ‚Der Elfenkönig‘. Er fuhr mit dem Finger über den schmalen Buchrücken. „‚Rufe den Wind‘. Sie haben die gesamte Werkausgabe.“ Neid regte sich in ihm. „Und als Erstveröffentlichung.“
„Sie lesen Bryna?“
„Soll das ein Witz sein?“ Ihm war, als würde er einen alten Freund wiedersehen. Er musste es berühren, studieren, ja, sogar riechen. „Ich habe alles von ihr gelesen, mindestens ein Dutzend Mal. Jeder, der behauptet, das seien Geschichten für Kinder, weiß nicht, wovon er redet.
Da werden Poesie und Magie und moralische Wertvorstellungen auf einzigartige Weise miteinander verwoben. Und die Illustrationen sind einfach hinreißend. Ich würde alles dafür geben, um ein Original zu bekommen, aber sie verkauft nicht.“
Interessiert neigte Morgana den Kopf. „Haben Sie denn gefragt?“
„Gefragt? Ich habe ihren Agenten regelrecht angefleht, immer wieder.
Leider ohne den geringsten Erfolg. Sie lebt irgendwo in Irland in einem alten Schloss. Wahrscheinlich beklebt sie das alte Gemäuer mit ihren Zeichnungen. Ich wünschte …“ Er brach ab, als Morgana leise lachte.
„Um genau zu sein, sie bewahrt sie in einem dicken Ordner auf. Für die Enkelkinder, die sie sich wünscht.“
„Donovan.“ Es dämmerte Nash. „Bryna Donovan. Sie ist Ihre Mutter.“
„Ja, und sie wird begeistert sein zu hören, wie sehr Ihnen ihre Arbeit gefällt.“ Sie hob ihr Glas. „Von Geschichtenerzähler zu Geschichtenerzähler. Meine Eltern haben immer wieder hier in diesem Haus gelebt. Meine Mutter hat ihr erstes veröffentlichtes Buch hier geschrieben, während sie mit mir schwanger war. Sie behauptet steif und fest, ich hätte darauf bestanden, dass sie die Geschichte
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