Die Donovans 1: Die gefährliche Verlockung
vorstellen, wie streng sie mit den Mädchen war. Sie hat Frömmigkeit und Sex über ihren Häuptern geschwungen wie ein Schwert. Bei Leeanne hat es nichts genützt. Sie wurde schwanger, mit siebzehn, und hatte nicht die leiseste Ahnung, wer der Vater sein könnte.“
Er sagte es unbeteiligt, mit einem Achselzucken, aber Morgana sah hinter die Fassade. „Hältst du ihr das vor?“
„Nein. Ich mache ihr keinen Vorwurf, nicht für das. Die alte Dame muss ihr neun Monate lang das Leben zur Hölle gemacht haben. Je nachdem, von wem man die Geschichte hört, ist es entweder das arme junge Mädchen, das für einen einzigen Fehltritt endlos bestraft wird, oder es ist die Heilige, die ihre sündige Tochter aufnimmt und dafür endlos leiden muss. Ich habe da meine eigene Meinung. Wir haben hier zwei egoistische Frauen, die sich einen Dreck um andere kümmerten.“
„Sie war gerade mal siebzehn, Nash“, warf Morgana leise ein.
Wut zeichnete harte, unnachgiebige Linien um seinen Mund. „Ach, deshalb ist es in Ordnung? Es ist also okay, dass sie mit siebzehn durch so viele Betten gehüpft ist, dass sie nicht einmal weiß, wer als Vater infrage kommt? Weil sie siebzehn ist, ist es in Ordnung, dass sie zwei Tage nach der Niederkunft verschwindet, mich bei dieser verbitterten alten Frau zurücklässt und sich geschlagene sechsundzwanzig Jahre nicht meldet?
Dass sie sich nie um mich gekümmert hat, nie für mich interessiert hat?“
Die Qual, die in seiner Stimme mitschwang, zerriss ihr das Herz. Sie wollte ihn an sich ziehen, ihn halten, bis das Schlimmste vorbei wäre. Doch als sie die Arme nach ihm ausstreckte, wich er zurück.
„Ich muss mich bewegen.“
Sie traf ihre Entscheidung schnell. Entweder konnte sie ihn allein gehen und versuchen lassen, den Schmerz zu verarbeiten. Oder sie konnte die Pein mit ihm teilen. Bevor er noch drei Schritte gemacht hatte, war sie an seiner Seite und nahm seine Hand.
„Es tut mir so leid, Nash.“
Er schüttelte heftig den Kopf. Die Luft war süß und mild, aber sie brannte in seiner Kehle wie Schwefel. „Nein, mir tut es leid. Es gibt keinen Grund, die Vergangenheit an dir auszulassen.“
Sie berührte seine Wange. „Ich kann schon damit umgehen.“
Aber er wusste nicht, ob er es konnte. Er hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Nie. Es laut auszusprechen hinterließ einen bitteren, ekeligen Geschmack in seinem Mund. Er fürchtete, er würde ihn nie wieder loswerden.
Er atmete tief durch und setzte erneut an. „Ich blieb bei meiner Großmutter, bis ich fünf war. Meine Tante Carolyn hatte geheiratet. Er war in der Armee, Berufssoldat. Während der nächsten Jahre zog ich mit ihnen herum, von Stützpunkt zu Stützpunkt. Er war ein sturer Mistkerl, einer, der mich nur tolerierte, weil Carolyn weinte und hysterische Szenen machte, wenn er, mal wieder betrunken, drohte, mich wegzuschicken.“
Morgana konnte es sich nur zu gut vorstellen: der kleine Junge, von jedem beherrscht, aber von niemandem gewollt. „Du hast es gehasst.“
„Ja. Ich glaube, das trifft es ziemlich genau. Damals wusste ich zwar nicht, warum, aber ich hasste es. Wenn ich heute darüber nachdenke, ist mir klar, dass Carolyn auf ihre Art genauso labil war wie Leeanne. In der einen Minute benahm sie sich wie eine Glucke, in der anderen ignorierte sie mich völlig. Bei ihr klappte es mit dem Schwangerwerden nicht. Dann, als ich ungefähr acht oder neun war, erwartete sie endlich ein Kind. Also wurde ich zu meiner Großmutter zurückgeschickt. Carolyn brauchte ja kein Ersatzkind mehr, sie hatte jetzt ihr eigenes.“
Morgana spürte, wie ihr Tränen der Wut in die Augen traten, als sie sich das unschuldige, hilflose Kind vorstellte, hin- und hergeschoben zwischen Menschen, die nichts von der Liebe wussten.
„Sie hat mich nie als Mensch, als Person angesehen. Ich war nur ein Fehler. Das war das Schlimmste daran“, sagte er mehr zu sich selbst. „Sie hat es immer wieder betont, damit es auch ganz bestimmt hängen bleibt.
Jeder Atemzug, den ich tat, jeder einzelne Herzschlag war nur deshalb möglich, weil ein ehrloses, unmoralisches, dummes Mädchen einen Fehler gemacht hatte.“
„Nein“, sagte Morgana entsetzt. „Sie hatte unrecht.“
„Ja, vielleicht. Aber solche Sachen bleiben einem für den Rest des Lebens. Ich musste mir viel über den Sündenfall anhören, über die heimtückischen Gelüste des schwachen Fleisches. Ich war faul, widerspenstig und böse – ihr bevorzugter
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