Die Donovans 2: Die Spur des Kidnappers
der Klang die Luft um sie herum zu erfüllen. Sie glaubte, Gesang wahrzunehmen, Streicher, Flöten und Hörner, doch sie hätte es nicht sicher sagen können. Es war mehr wie ein Vibrieren in der Luft, geheimnisvoll und doch wunderschön.
Mel ließ sich von dem Klang führen, folgte ihrem Instinkt. Die Musik wurde weder lauter noch leiser, doch schien sie irgendwie flüssiger zu werden, strich über ihre Haut, drang in ihren Geist, während sie dem Gang folgte, der nach links abbog, und dann in eine Treppe mündete.
Mel sah das Schimmern von Kerzenlicht, ein ätherisches Flackern, das zu einer goldenen Flut wurde, je näher sie dem Raum am Ende des Korridors kam. Sie roch Kerzenwachs, der Duft von Sandelholz lag in der Luft.
Sie merkte nicht, dass sie den Atem anhielt, als sie auf die Schwelle trat.
Der Raum war nicht groß. Das Wort „Kammer“ schien besser zu passen, und Mel fragte sich, warum ihr ausgerechnet eine solch altmodische und wunderliche Beschreibung eingefallen war. Die Wände waren mit Holz verkleidet, auf die die Flammen von Dutzenden von Kerzen ein warmes Licht warfen.
Da waren Fenster, drei an der Zahl, in der Form eines Halbmondes. Mel erinnerte sich daran, dass sie ihr aufgefallen waren, als sie das Haus von außen betrachtet hatte. Ihr wurde klar, dass sie sich im höchsten Teil des Hauses befand.
Der Nachthimmel mit seinen Millionen Sternen funkelte durch das Oberlicht, das Sebastian geöffnet hatte. Stühle und Tischchen und Truhen standen in dieser Kammer. Sie sahen eher aus, als gehörten sie in ein mittelalterliches Schloss denn in ein modernes Zuhause. Mel erkannte Kristallkugeln, bunte Schalen, filigrane Silberspiegel, Stäbe aus Kristall und Kelche, besetzt mit funkelnden Steinen.
Sie glaubte nicht an Zauberei. Sie wusste genau, dass es immer einen doppelten Boden in der Truhe des Magiers gab, dass er immer einen Trick im Ärmel hatte. Doch während sie hier stand, in der Tür zu diesem Raum, fühlte sie die Luft vibrieren, als wäre sie lebendig, als würden Tausende von Herzschlägen sie erfüllen.
Und sie wusste, das hier war mehr. Mehr, als sie je zu träumen gewagt hätte. In einer Welt, die sie zu kennen glaubte.
Sebastian saß in der Mitte der Kammer, in einem Pentagramm, eingelassen in den Holzboden. Mit dem Rücken zu ihr und völlig regungslos. Ihre Neugier war immer die stärkste treibende Kraft in ihr gewesen, aber sie entdeckte etwas, das noch stärker war: ihr Bedürfnis, seine Privatsphäre nicht zu stören.
Sie zog sich lautlos zurück, doch da sprach er.
„Ich wollte dich nicht wecken.“
„Das hast du nicht.“ Sie nestelte an einem Knopf seines Hemdes. „Ich hörte die Musik. Ich habe mich gefragt …“ Sie brach ab und sah sich verwirrt um. Hier gab es keine Stereoanlage, kein Gerät, das Musik abspielen könnte. „Ich fragte mich, woher sie wohl kommen mag.“
„Es ist die Musik der Nacht.“ Sebastian stand auf. Obwohl Mel sich nie für schamhaft gehalten hatte, wurde sie rot, als er nackt im Kerzenlicht vor ihr stand, ihr seine Hand bot.
„Ich wollte nicht stören.“
„Das tust du nicht.“ Als er ihr Zögern bemerkte, hob er eine Augenbraue, trat einen Schritt vor und nahm ihre Hand. „Ich musste meinen Geist reinigen. Neben dir konnte ich das nicht.“ Er küsste ihre Handfläche. „Zu viele Gedanken, die das Wesentliche trübten.“
„Ich hätte wohl besser nach Hause fahren sollen.“
„Nein.“ Er beugte sich zu ihr und küsste sie zärtlich. „Nein, auf keinen Fall.“
„Weißt du, eigentlich …“ Sie wich ein wenig zurück, wusste nicht, wohin mit ihren Händen. „Ich meine, normalerweise tue ich solche Dinge nicht.“
Sie sah so jung aus, so zerbrechlich, in seinem ihr viel zu großen Hemd, mit den übergroßen Augen, die Haare wirr von Liebesspiel und Schlaf.
„Muss ich jetzt sagen, dass, da du für mich anscheinend eine Ausnahme gemacht hast, es dir sehr gut gelungen ist?“
„Nein, nicht unbedingt.“ Dann lächelte sie spontan. Doch, sie war zufrieden mit sich. Sie beide hatten ihre Sache gut gemacht. „Aber es ist nett, es zu hören. Sitzt du eigentlich öfter näckt bei Kerzenlicht auf dem Boden, hier in dieser Kammer?“
„Wenn der Geist mich ruft, ja.“
Sie fühlte sich jetzt wohler, weniger gehemmt und begann, im Raum umherzugehen. Mit geschürzten Lippen nahm sie einen Silberspiegel zur Hand. „Ist das hier etwa Zauberkram?“
Er fand sie anbetungswürdig, wie sie dastand und mit kritischem Blick
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