Die Donovans 2: Die Spur des Kidnappers
veränderten sich auf einmal. Ihre Eltern küssten sich. Lang, innig. Dann salutierte der junge Mann, der ihr Vater war, warf sich den Seesack über die Schulter und stieg die Gangway hinauf.
Die Kugel in ihrer Hand wurde wieder klar, war nur Glas, das das Prisma des Lichts zurückwarf.
Hätte Sebastian den Glasball nicht gehalten, wäre er Mel aus der Hand und zu Boden gefallen.
„Mein Vater. Das war mein Vater. Er … war bei der Marine. Er wollte die Welt kennenlernen. Er stach damals nach Norfolk in See. Ich war erst zwei, ich erinnere mich nicht mehr. Meine Mutter erzählte mir immer, dass wir ihn damals zum Schiff gebracht haben und wie aufgeregt er war.“ Ihre Stimme brach, und sie nahm sich Zeit, um sich wieder zu sammeln. „Einige Wochen später gab es einen Sturm auf dem Mittelmeer. Er ist auf See verschollen.
Er war erst zweiundzwanzig, ein halbes Kind noch. Mutter hat Fotos, aber Fotos geben nicht viel her.“ Sie starrte auf die Glaskugel, dann sah sie auf in Sebastians Gesicht. „Ich habe seine Augen. Mir war nie klar, dass ich meine Augen von ihm geerbt habe.“ Sie schloss eben jene Augen, bis sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. „Ich habe gesehen, nicht wahr?“
„Ja.“ Sebastian streichelte ihr über das Haar. „Aber ich habe es dir nicht gezeigt, um dich traurig zu machen, Mary Ellen.“
„Nein, das bin ich nicht. Es tut mir nur leid.“ Mit einem Seufzer schlug sie die Augen nun wieder auf. „Leid, weil meine Mutter sich an zu viel erinnert und ich es nie verstanden habe. Leid, weil ich mich nicht an ihn erinnern kann. Und es hat mich glücklich gemacht, ihn zu sehen, uns alle zusammen zu sehen, dieses eine Mal.“ Sie ließ die Kugel los, in seinen Händen zurück. „Danke.“
„Es ist nicht viel, nach dem, was du mir heute Nacht gegeben hast.“
„Was ich dir gegeben habe?“, wiederholte sie verständnislos.
„Dich selbst.“
„Oh, das …“ Sie räusperte sich. „Ich weiß nicht, ob mir gefällt, wie du es beschreibst.“
„Wie würdest du es denn ausdrücken?“
Sie sah ihm nach, wie er die Kugel auf ihren Platz zurückstellte. „Ich weiß auch nicht. Aber wir beide sind erwachsen.“
„Stimmt.“ Er kam auf sie zu, und sie war überrascht, dass sie zurückwich.
„Ungebunden.“
„So scheint es, ja.“
„Verantwortungsbewusst.“
„Ganz erheblich.“ Sanft griff er in ihr Haar. „Ich wollte dich im Kerzenschein sehen, Mary Ellen.“
„Fang nicht schon wieder damit an.“ Sie stieß seine Hand fort.
„Womit?“
„Nenn mich nicht Mary Ellen, und hör endlich mit diesem romantischen Unsinn auf.“
Ohne den Blick von ihren Augen zu lösen, strich er über ihren Hals. „Du magst keine Romantik?“
„Das nicht, aber …“ Ihre Gefühle lagen viel zu dicht an der Oberfläche, liefen Gefahr, ans Licht zu treten, nachdem sie in die Kugel geschaut hatte.
Sie musste sicherstellen, dass sie beide die grundlegenden Regeln einhalten würden. „Ich brauche es nur nicht. Ich wüsste gar nicht, was ich damit anfangen sollte. Und ich bin sicher, dass wir beide wesentlich besser zurechtkommen, wenn wir wissen, wo wir stehen.“
„Wo stehen wir denn?“ Er legte seine Hände um ihre Tail e.
„Wie ich schon sagte, wir sind verantwortungsbewusste, ungebundene Erwachsene, die sich zueinander hingezogen fühlen.“
Er küsste sie verführerisch auf die Schläfe. „Dagegen habe ich ja nichts einzuwenden.“
„Solange wir mit dieser Beziehung vernünftig umgehen …“
„Oh, da sehe ich Schwierigkeiten.“
„Wieso?“
Sebastian glitt mit den Händen an ihren Seiten hoch, bis seine Finger die schwellende Rundung ihrer Brust streicheln konnten. „Ich fühle mich nämlich im Moment keineswegs vernünftig.“
Mels Knie gaben nach, ihr Kopf fiel in den Nacken. „Es ist nur eine Sache der … der Prioritäten.“
„Meine Prioritäten stehen absolut fest.“ Er spielte mit seiner Zunge an ihren geöffneten Lippen. „Ganz oben auf der Liste steht: Ich will mit dir schlafen, bis wir beide nur noch ein atemloses, zuckendes Bündel Fleisch sind.“
„Gut.“ Willig ließ sie sich von ihm auf den Boden ziehen. „Das ist ein ausgezeichneter Anfang.“
Mel arbeitete einfach effektiver mit Listen.
Am nächsten Abend saß sie an ihrem Schreibtisch und versuchte eine solche zusammenzustellen. Es war die erste freie Stunde, seit sie Sebastians Haus um zehn Uhr morgens verlassen hatte, bereits gehetzt und hinter ihrem Zeitplan
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