Die Donovans 4: Der verzauberte Fremde
ihr in der Kehle stecken, als sie plötzlich ein goldenes Augenpaar im Dickicht auffunkeln sah. Dann raschelte es im Unterholz, und die blitzenden Augen waren wieder verschwunden.
Rowan beschleunigte ihre Schritte, bis sie fast rannte. Sie verlangsamte ihr Tempo erst wenige Meter vor der Haustür. Und Atem holte sie erst wieder, als sie schon im Haus und die Tür sicher verschlossen war.
Hastig streifte sie durchs Haus, schaltete alle Lampen ein, auch im Obergeschoss. Dann schenkte sie sich ein Glas von dem Wein ein, den sie mitgebracht hatte, und sprach einen Toast aus: „Auf einen seltsamen Anfang, geheimnisvolle Nachbarn und nicht existente Hunde.“
Um sich heimischer zu fühlen, wärmte sie eine Dosensuppe für sich auf und aß im Stehen am Küchenfenster. Gedankenverloren sah sie hinaus in die Dunkelheit, so wie sie es oft in ihrer Wohnung in der Stadt tat.
Aber die Tagträume hier waren weicher, sanfter und doch klarer und deutlicher. Da waren die hohen Bäume, das Schlagen der Wellen und das letzte Licht des Tages.
Ein gut aussehender Mann mit goldenen Augen, der auf den windzerklüfteten Klippen stand und sie anlächelte.
Sie seufzte still. Warum hatte sie nicht geschliffen und weltgewandt sein können? Ein wenig flirten, sich lässig geben … Dann hätte er sie vielleicht mit Interesse betrachtet statt mit Ungeduld und leichter Verärgerung.
Lächerlich, ermahnte sie sich. Da Liam Donovan mit Sicherheit nicht eine Sekunde damit verschwendete, an sie zu denken, war es auch absolut unsinnig, dass sie an ihn dachte.
Mit automatischen Bewegungen schaltete sie die Lampen aus, während sie nach oben ging. Sie hatte vor, sich mit einem langen Bad in der gusseisernen, vierfüßigen Badewanne zu verwöhnen und sich ein zweites Glas Wein zu gönnen.
Ein Luxus, den sie sich viel zu selten gestattete.
„Das wird sich ändern“, sagte sie laut, als sie in das duftende Wasser glitt. „Viele Dinge werden sich ändern. Ich muss mich nur immer wieder daran erinnern.“
Als das Wasser zu kühl wurde, stieg Rowan aus der Badewanne und schlüpfte in den warmen Flanell-Pyjama, den sie neu erstanden hatte. Das Kaminfeuer im Schlafzimmer flackerte fröhlich, und mit einem zufriedenen Seufzer kroch Rowan unter das dicke Federbett, um sich ihr Buch zur Hand zu nehmen.
Zehn Minuten später war sie eingeschlafen. Die Lesebrille rutschte ihr von der Nase, das Licht brannte noch, und der Wein im Glas wurde warm.
Sie träumte von einem schwarzen Wolf, der auf leisen Pfoten in ihr Zimmer kam und sie mit neugierigen goldenen Augen betrachtete, während sie schlief. Ihr war, als würde er mit ihr reden, nicht mit Worten, sondern durch seine Gedanken.
Ich habe nicht nach dir gesucht. Ich habe nicht auf dich gewartet. Ich will nicht, was du mir bringst. Geh zurück in deine Welt, Rowan Murray, deine sichere Welt. Meine Welt ist nichts für dich.
Ihre Antwort war nur gedacht: Ich brauche doch nur Zeit für mich. Ich suche nichts anderes als Zeit.
Er kam näher an das Bett heran, sodass ihre Hand fast seinen Kopf berühren konnte. Wenn du hierbleibst, könnte das für uns beide Folgen haben. Wir könnten beide gefangen werden. Bist du bereit, dieses Risiko einzugehen?
Oh, sie wollte so gern berühren, fühlen. Mit einem leisen Seufzer ließ sie ihre Hand über das warme seidige Fell gleiten, vergrub ihre Finger darin. Es ist an der Zeit, dass ich einmal ein Risiko eingehe.
Und unter ihrer Hand wurde der Wolf zu einem Mann. Sie spürte seinen Atem an ihrem Gesicht, als er noch näher kam und sich über sie beugte.
„Wenn ich dich jetzt küssen würde, Rowan, was würde dann geschehen?“
Ihr ganzer Körper schien plötzlich vor Verlangen zu glühen. Sie wälzte sich, bog sich dem Mann mit einem Seufzer entgegen, griff nach ihm, um ihn zu sich zu ziehen.
Liam legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Schlaf“, flüsterte er und nahm ihr die Brille herunter. Er drehte das Licht aus und ballte die Fäuste, als das Verlangen, sie zu berühren, ihn zu überwältigen drohte.
„Verflucht, ich will das nicht. Ich will sie nicht.“ Er warf die Arme in die Höhe und löste sich in Luft auf.
Später, viel später, träumte Rowan von einem Wolf, schwarz wie die Nacht, der auf den Klippen über dem Meer saß. Den Kopf hatte er weit in den Nacken gelegt, während er den schimmernden Vollmond anheulte, seine Augen leuchteten in der Dunkelheit.
2. KAPITEL
I n den nächsten Tagen wurde es Rowan zur Angewohnheit, nach dem Wolf
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