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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Denn auch der derzeitige Besitzer habe
sie für teures Geld erworben und sei nicht etwa — was man ja denken könnte — der
Dieb. Wenn er anbeißt, Ihr Herr Bruder, werde ich die Abwicklung des Geschäftes
mit ihm aushandeln — und zwar so, daß uns niemand in die Quere kommen kann.
Marken gegen Bargeld — und das an einem Ort, den wir fünf Minuten vorher
bestimmen. Richtig?“
    „Ich glaube, meine Interessen liegen
bei dir in allerbesten Händen“, sagte Herr Selbmann.
    Seine Frau rief zum Abendessen.
    Es war eine Wucht.
    „Hausgemachtes ist unübertrefflich“,
meinte Klößchen nach der dritten Pizza.
    Jede war anders belegt — und das Eis
schmeckte sogar Tarzan, den sonst Süßes nicht reizen konnte.
    Es war eine fröhliche Runde; aber nach
dem Essen stand Ernstes bevor.
    Mucksmäuschenstill verhielten sich
alle, als Tarzan die Telefonnummer wählte, die Herr Selbmann auf einem Zettel
notiert hatte: die Privatnummer seines habgierigen Bruders Hartmut A.
    Tarzan hatten den Hörer am Ohr, sah auf
die Spitzen seiner Turnschuhe und wartete.
    Nach dem dritten Läuten wurde
abgehoben.
    „Bei Hartmut A. Selbmann“, näselte eine
überaus vornehme Stimme.
    „Bitte, Herrn Selbmann!“ verlangte
Tarzan.
    „Tut mir leid. Das ist nicht möglich.“
    „Wer sind Sie, bitte?“
    „Ich bin der Butler“, näselte es
vornehm und zum Erfrieren kühl. „Wer spricht, bitte?“
    „Ich bin Tarzan!“ Grinsend klammerte er
sich mit zwei Fingern die Nase zu. „Sagen Sie Ihrem Boß, es ist ungeheuer
wichtig. Wichtig für ihn.“
    „Tut mir leid. Das ist nicht möglich“,
wiederholte der Butler. „Herr Selbmann ist bis Freitag verreist. Auf
Wiederhören.“
    Der Butler legte auf. Tarzan legte auf.
Und in die Stille sagte er: „Jetzt haben wir ein paar Tage Pause.“

12. Funke taucht auf
     
    Freitag. 10.21 Uhr.
    Lydia Waberina, die Pensionswirtin,
hatte ihre Kriegsbemalung beendet. Nachdenklich betrachtete sie ihr buntes
Gesicht im Spiegel. Etwas fehlte noch! Ach so, die Wimpern.
    Sie wurden angeklebt.
    „So, jetzt sind wir schön“, sagte sie
zu ihrem Spiegelbild. Heute trug sie ein orangefarbenes T-Shirt — passend zum
Tag; denn die strahlende Morgensonne hatte den Dunst über der Großstadt vertrieben.
    Als es anhaltend und ungeduldig
klingelte, ging Lydia — wackelnd wie eine eilige Ente — zur Wohnungstür.
    Draußen stand ein Mann. Er war groß und
knochig wie ein Gaul, das harte Gesicht von fahlgrauer Farbe — wie bei
Stubenhockern, die sich vor frischer Luft fürchten. Daß dieser Mann sich
fürchtete — danach sah er allerdings nicht aus: eher, als lehre er andere das
Fürchten. Eisgraue Augen musterten Lydias ausgeflippte Erscheinung.

    „’n Morgen“, sagte er durch schmale
Lippen. „Ich brauche ein Zimmer.“
    „Gern!“ Sie bat ihn herein.
    Zu ihrem Erstaunen schritt er gleich zu
Nr. 17. Dort setzte er den Koffer ab. Indem er auf die Tür deutete, schien für
ihn festzustehen: das Zimmer oder keins!
    „Das nehme ich!“
    „Ja. Aber ich hätte noch ein anderes,
Herr...“
    „Funke. Edwin Funke. Ich nehme Nr. 17.
Oder ist es belegt?“
    Mit ihrer Baßstimme sagte sie: „Das
nicht. Noch nicht. Aber heute nachmittag trifft ein Gast ein, dem ich...“
    „Heute nachmittag bin ich längst wieder
weg.“
    „Stundenweise vermiete ich nicht, Herr Funke.“
    „Ich will mich nur etwas ausschlafen.“
Er grinste, zog einen 100-Mark-Schein aus der Tasche und schob ihn zwischen
Lydias krallenförmige Finger. „Bis später, mein Schatz!“
    Immer noch grinsend verschwand er
hinter der Tür. Sie hörte, wie er von innen abschloß. Kopfschüttelnd schob sie
das Geld ins Portemonnaie.
    Na schön! dachte sie. Immerhin hat er
für fünf Tage bezahlt, inklusive (einschließlich) Frühstück. Wenn’s ihm
die paar Stunden wert sind — bitte!
    Sie zog sich in ihr mit Privat gekennzeichnetes Zimmer zurück und begann mit dem zweiten Überlackieren ihrer
Fingernägel. Als sie damit fertig war, schwenkte sie die Hände zum Trocknen in
der Luft. Dann schenkte sie sich einen Likör ein, denn im Augenblick war nichts
Besseres zu tun.
    Dröhnend wurde an ihre Tür geklopft.
    Sie erschrak und schüttete etwas Likör
auf ihre Karottenhosen. Ärgerlich öffnete sie.
    Funke hatte die Beine gegrätscht. Sein
vorhin noch fahlgraues Gesicht war jetzt dunkel vor Wut.
    „Ich vermute, Sie können sich nicht
mehr an mich erinnern. Vor drei Jahren habe ich hier schon mal gewohnt — zusammen
mit einem Freund. Damals

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