Die Doppelgängerin
noch lange
nicht!“ rief Klößchen. „Das Geld kriegen wir zurück!“
*
Die Sonne stand tief. Ein warmer
Frühsommerabend verbreitete sein braunes Licht.
Tarzan und Klößchen hatten die
Arbeitsstunde hinter sich. Beim EvD meldeten sie sich ab.
„Wir sind bei Familie Selbmann zum
Abendessen eingeladen“, sagte Tarzan. Er nannte dem Lehrer die Telefonnummer. „Inge
Selbmann gehört zu Gaby Glockners Freundinnen — und ist Schülerin der
St.-Irmengard-Schule.“
„Ihr wißt, wann ihr zurück sein müßt“,
erwiderte der Lehrer. „Wißt ihr übrigens, daß ihr Rekordhalter seid — was die
Einladungen zum Abendessen betrifft?“
„Wußte ich nicht“, lachte Tarzan. „Du
Willi? Sicherlich liegt es daran, daß wir ziemlich viel Freunde haben. Und
deren Eltern — na ja! die haben Mitleid mit uns.“
Der Lehrer lachte und entließ sie.
Sie radelten zur Stadt und suchten
Inges Adresse. Es war eine bescheidene Gegend, wo die Selbmanns im Dachgeschoß
eines großen Mietshauses wohnten.
Tarzan rannte fünf Treppen hinauf.
Klößchen benutzte den Lift, um schneller zum Essen zu kommen.
Inge ließ die beiden ein. Sie
strahlten. Daß die Selbmanns soviele Gäste hatten, kam selten vor. Eingeladen
waren nämlich alle. Gaby, Bärbel und Karl saßen bereits in Inges Zimmer und
besprachen zum x-tenmal die mißlungene Erpressung von Ehrlich und Paulsen.
In der Küche traf Kathie Selbmann,
Inges Mutter, letzte Vorbereitungen für das Abendessen. Sie war eine blasse,
ziemlich schmale Person mit versorgtem Gesicht, dunkelhaarig wie Inge und immer
noch hübsch.
„Das sind Tarzan und Klößchen“, stellte
Inge vor, und Frau Selbmann begrüßte beide herzlich. Besonders lange schüttelte
sie Tarzan die Hand. „Dir danke ich, daß du Inge so großartig geholfen hast.
Und daß du auch noch das andere für uns tun willst.“
„Das in der Pension hätte jeder gekonnt“,
wehrte Tarzan ab. Dann puffte er Klößchen in die Rippen, denn der schnupperte
allzu ungeniert in Richtung Herd.
Kathie Selbmann lachte. „Es gibt Pizza
und anschließend Eis.“
„Wundervoll!“ sagte Klößchen. „Ich
liebe Pizza. Und Eis ist ein herrlicher Abschluß.“
„Und nichts ist fertig gekauft“,
erklärte Inge voller Stolz. „Meine Mutti macht alles selber. Auch das Eis. Es
ist wirklich was Besonderes.“
„Das Lob solltest du lieber den Gästen
überlassen“, lachte Frau Selbmann. „Ich hoffe, mir gelingt alles.“
Eine nette Familie, dachte Tarzan, als
sie in Inges Zimmer gingen. Eine blitzsaubere Wohnung, aber sie ist kärglich
eingerichtet. Man merkt überall: sie müssen sparen. Und dazu die Invalidität
des Vaters. Also, denen ist das Geld wirklich zu gönnen. Hoffentlich können wir
die Briefmarken in D-Mark verwandeln!
Werner A. Selbmann war bei den anderen.
Tarzan traute seinen Augen nicht, als
er die Szene sah.
Mit nacktem Oberkörper lag Karl, der
Computer, auf der Couch in Inges Zimmer. Gaby und Bärbel saßen auf dem Boden.
Und Herr Selbmann demonstrierte (zeigte) am lebenden Objekt, wie ein
Masseur massiert, wenn die Muskeln des Patienten verspannt sind.
„Toll, wenn man so durchgeknetet wird“,
sagte Karl gerade. „Man fühlt sich zum Bäume ausreißen.“
Herr Selbmann lachte. „Das war’s.“ Er
klatschte Karl auf den Rücken. Dann wandte er sich Tarzan und Klößchen zu.
Irgendwie sieht er bedeutend aus!
dachte Tarzan. Aber auch, als wäre er müde und ohne Hoffnung. Na ja! es muß
schlimm sein, wenn man nicht mehr arbeiten kann und die Familie verarmt.
Werner A. Selbmann war hochgewachsen.
Er hatte ein hageres Gesicht mit starker Hakennase und leuchtenden Augen, in
denen aber das Feuer — fast — erloschen war. Er hielt sich gerade und bei allen
Bewegungen den Oberkörper steif. Sicherlich schmerzte die kranke Wirbelsäule
sehr.
„Du bist Tarzan?“ Er schüttelte ihm die
Hand. „Du weißt sicherlich, wie dankbar wir dir sind.“
„Weshalb denn nur?“ wehrte Tarzan ab. „Ich
sehen überhaupt keinen Grund. Aber da wir beim Thema sind: Ist es Ihnen recht,
wenn ich Ihren habgierigen Bruder aufsuche?“
„Ich kann es nicht von dir erwarten.
Aber wenn du dich erbietest...“
„Tue ich. Und ich werde ihn fragen, ob
er die Briefmarken, die ihm damals gestohlen wurden, zurückkaufen möchte. Ich
behaupte, ich kenne den derzeitigen Besitzer und wisse, daß der sie veräußern
will. Natürlich alles privat, unter der Hand und ohne die Polizei
einzuschalten! Sonst geht gar nichts.
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