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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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benutzten wir das Badezimmer von Nr. 17, um etwas, das
uns... äh... lieb und teuer ist, besonders teuer!, zu verstecken.“
    „Wie bitte?“
    Sie hatte das Gefühl, ihre Wimpern
lösten sich ab.
    „Wir haben etwas in dem Badezimmer
versteckt!“ sagte Funke hart. „Jetzt ist es weg!“
    „Da wundern Sie sich? Nach drei Jahren!
Zig Gäste sind seitdem...“ Sie schüttelte den Kopf. „Was war es denn? Und wo
hatten Sie’s versteckt?“
    „Ein... äh... Schriftstück. Es steckte
in einer Klarsichthülle. Sie war hinter einer Kachel unter dem Waschbecken
versteckt.“
    „Hinter einer Kachel?“ staunte sie mit
ihrem Donkosakenbaß. „Etwa eingemauert?“
    „Ja, eingemauert. Eben habe ich die
Kachel gelöst. Regen Sie sich nicht auf! Nichts ist kaputt. Außerdem ersetze
ich Ihnen die Handwerkerkosten. Das Versteck ist leer. Aber der Kleister, mit
dem die Kachel wieder eingesetzt wurde, noch verdammt frisch. Ein Teufelszeug!
Hier!“
    Er zeigte ihr seinen Daumen, an dem
Mörtelbröckchen wie dicke Warzen klebten.
    „Kriegt man nicht ab, diesen Mist. Aber
das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig für mich ist: Einer ihrer letzten Gäste
hat das Versteck geöffnet.“
    „Ist ja schrecklich! Ob das durch
Zufall entdeckt wurde? Da fällt mir ein: in den letzten Tagen hatte ich das
Zimmer überhaupt nicht vermietet.“
    „Und vorher?“
    „Zuletzt hat ein Mädchen drin...
Moment!“ Wellenbewegungen huschten über ihr Gesicht. Diese Zuckungen fanden
immer dann statt, wenn sie angestrengt nachdachte. Schon deshalb vermied sie
unnötige Gehirnakrobatik. Aber jetzt ging ihr ein Seifensieder auf.
    „Also deshalb war die Kleine nur ein
paar Stunden da! Und der Junge, ihr Freund, hat ihr geholfen. Aha! Soso! Wie
durchtrieben! Da staune ich! Wissen Sie, das Mädchen kam gegen Abend — und ist
schon vor Mitternacht wieder gegangen. Bezahlt hat sie für zwei Tage und... Ich
fand das alles zwar seltsam, habe mir aber nichts dabei gedacht.“
    Funke zog einen 50-Mark-Schein aus der
Tasche und winkte damit.
    „Den Namen, Gnädigste!“
    „Moment! Da muß ich nachsehen.“
    Sie zog ihre Kladde zu Rate.
    „Ja, hier steht’s: Inge Selbmann.“
    „Wie? Selb... Selbmann?“
    Sogar wenn er stotterte, behielt er den
barschen Ton.
    Lydia Waberina wiederholte nickend den
Namen; und Edwin Funke dachte: Selbmann? Verdammt! So hieß doch der, dem wir
damals die Marken geklaut haben! Hartmut A. Selbmann! Zufall? Blödsinn!
Dahinter steckt was anderes! Aber was? Und woher weiß ein Mädchen von dem
Versteck? Das kann nur Palowski gewesen sein, der liebe Herbert Palowski — Freund
und Kumpel von damals. Klar! Der muß seine Jährchen noch absitzen. Mir gönnt er
die Beute nicht. Also hat er einen Kassiber irgendwie rausgeschmuggelt. Damit
mir andere zuvorkommen. Und sie sind mir zuvorgekommen. Wer? Hat diese Inge
Selbmann was mit Hartmut A. Selbmann zu tun? Der war doch Junggeselle und
Eigenbrödler und hat bestimmt keine Tochter. Was also? Zufällige
Namensgleichheit. Egal. Ich kriege es raus. Und die Marken hole ich mir zurück.
    „Können Sie das Mädchen beschreiben?“
fragte er.
    Das konnte Lydia Waberina. Sie hatte
150 Mark erhalten und gab sich Mühe. Vor Funkes innerem Auge entstand ein
ziemlich deutliches Bild einer 16jährigen Schülerin.
    „Danke, mein Schatz!“ Er tätschelte
Lydias faltigen Unterarm, holte seinen Koffer und wandte sich zum Ausgang. Dort
drehte er sich um. „Es wäre empfehlenswert, Gnädigste, wenn Sie mich und die
ganze Sache schleunigst vergessen. Klar? Denn ein Sterbenswörtchen zu irgendwem
könnte Ihnen eine Menge Ärger einbringen. Klar?“
    Lydia nickte. Sie hatte verstanden und
würde schweigen wie eine Auster, die weder Fleisch noch Perle hergeben will.
    Funke verließ das Haus, ging zum
nächsten Postamt und schlug dort im Telefonbuch nach.
    Nur zwei Selbmanns waren verzeichnet:
Hartmut A. — den sie damals heimgesucht hatten — und ein gewisser Werner A.,
Masseur, wohnhaft in der Charlotten-Straße, einer eher ärmlichen Gegend.
    Per Taxi ließ sich Funke dorthin
bringen.
    Vor den Wohnblöcken spielten Kinder auf
einem schmalen Grünstreifen. Ein etwa siebenjähriger Steppke saß am
Bordsteinrand und kaute ein dickes Butterbrot.
    Funke trat zu ihm. „Vielleicht kannst
du mir helfen, Söhnchen. Ich suche ein Mädchen, das hier irgendwo wohnen soll.
Leider weiß ich den Namen nicht genau. Aber beschrieben hat man sie mir. Sie
soll heißen Ingrid oder Inge Seibermann... oder so

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