Die Doppelgängerin
ähnlich.“
„Sie meinen sicherlich Inge Selbmann“,
lachte der Knirps.
„Ich weiß nicht“, zögerte Funke. „Wie
sieht die aus?“
„Sie ist 16, groß und dünn, hat langes
dunkles Haar — meistens als Mittelzopf — und Katzenaugen. Mein Bruder Erwin
sagt, daß sie sehr nett aussieht.“
„Das ist leider nicht die, die ich
suche“, bedauerte Funke. „Das Mädchen soll klein, dick und hellblond sein.“
„So sieht Gertrud Kalisch aus“, sagte
der Junge. „Aber die wohnt nicht mehr hier. Ist weggezogen.“
„Jedenfalls danke ich dir.“
Hochzufrieden zog sich Funke zurück.
Zwei Querstraßen weit trug er seinen
Koffer, mit dem er heute früh aus dem Gefängnistor in die Freiheit getreten
war. Da hatte er noch geträumt vom großen Geld durch die fette Beute von
damals. Aber jetzt schien der Traum zu zerrinnen.
Nein! dachte er. Nicht mit mir! Drei
Jahre habe ich auf diesen Tag gewartet. Jetzt kenne ich nichts. Jetzt riskiere
ich alles. Hat das Mädchen allein gehandelt? Aus eigenem Antrieb? Unmöglich! Da
stecken andere dahinter. Die Eltern? Sicherlich. Dann haben die jetzt die
Briefmarken. Oder das Geld, falls die Marken schon verkauft sind. Das eine oder
das andere werde ich mir zurückholen. Wie? Freiwillig geben die nichts her.
Aber unter Druck bestimmt.
Ein gefährlicher Plan entstand in
seinem Hirn.
Doch zunächst wollte er, um keinen
Irrtum zu begehen, Inges Identität (Gleichheit mit einer bestimmten — gesuchten
— Person) überprüfen.
Er trat in eine Telefonzelle und wählte
die Rufnummer der Selbmanns.
„Kathie Selbmann“, meldete sich Inges
Mutter mit frischer Stimme.
„Hier Polizeimeister Schulze von der
Verkehrsstreife“, log Funke. „Ich muß Ihnen leider mitteilen, Frau Schelpmann,
daß Ihre Tochter Inge eben bei einem Unfall leicht verletzt wurde. Und...“
„Das ist unmöglich!“ unterbrach sie
ihn. „Inge sitzt neben mir. Und wir heißen Selbmann — Siegfried, Emil, Ludwig,
Berta“, buchstabierte sie den Namen.
„Verzeihung! Dann liegt eine
Verwechselung vor.“ Grinsend drückte er auf die Gabel. Er blätterte zu den
P-Seiten zurück und fuhr mit knochigem Finger die Spalten entlang.
Ah, da war er ja, sein alter Freund
Fritz Paulsen! Immer noch dieselbe Adresse. Und bestimmt immer noch derselbe
Halunke, der vor keiner Gemeinheit zurückschreckte — wenn sie nur genug Geld
brachte.
Er wählte.
„Paulsen“, meldete sich eine kratzige
Stimme.
„Hallo, du räudige Fischhaut“, sagte
Funke — so hatte er ihn damals genannt; und Paulsen schaltete sofort.
„Edwin!“ brüllte er freudig. „Bist du
draußen? Haben sie dich entlassen?“
„Ich bin hier in der Stadt, Fritz. Und
ich brauche deine Hilfe. Die Sache ist heiß. Aber es springt eine Menge dabei
raus. Für uns beide. Machst du mit?“
„Wenn du die Weichen stellst — immer!“
„Gemacht! Es wird hart. Aber dann
winken 400 000. Wir werden für kurze Zeit ein 16jähriges Mädchen in Pension
nehmen.“
„Kidnapping?“ (Entführung,
Menschenraub) fragte Paulsen erschrocken.
„Jawohl. Aber mach dir nicht in die
Hose. Das hört sich nur so gefährlich an. Sind kleine Leute, denen wir das
Töchterlein wegnehmen. Aber die haben was, das mir gehört! Einzelheiten erzähle
ich dir, wenn wir uns sehen. Jedenfalls müssen wir gleich schweres Geschütz
auffahren, damit der Austausch ruck, zuck stattfinden kann. Das Mädchen gegen
die Briefmarken.“
„Briefmarken?“ Paulsens Stimme klang
enttäuscht.
„Sogar nur zwei. Aber die sind 400 000
wert. Das kannst du mir glauben.“
„Ich glaube es. Für nichts würdest du
kein Risiko eingehen. Aber muß es gleich Kidnapping sein? Kannst du die Leute
nicht auf andere Weise zur Herausgabe zwingen?“
„Wie denn? Die würden sich
schieflachen. Oder glaubst du, die verschenken 400 000 — nur weil ich mit der
Faust auf den Tisch haue? Nein! Hinter unserer Forderung muß Druck sitzen.
Deshalb schnappen wir die Inge. Dein Anteil sind 50 000!“
„Kommt mir wie gerufen“, sagte Paulsen.
„Gerade jetzt brauche ich Geld für einen Rechtsverdreher. Mein Sohn ist in
Schwierigkeiten. Ottmar, dieser Idiot, hat sich bei einer läppischen Sache
erwischen lassen.“
13. Gefangen im Klappbett
Freitagmittag.
Tage der Ungeduld lagen hinter dem
TKKG. Kein Stück waren die Freunde vorangekommen, denn Tarzans Verhandlung mit
Hartmut A., dem betrügerischen Geizhals, stand immer noch aus.
Die Kinder hatten Fräulein Dettl im
Krankenhaus besucht, wo
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