Die Doppelgängerin
nach
unten, hatte seinen Körper c-förmig verbogen und atmete mit weitgeöffnetem
Mund. Er sah schlimm aus: totenbleich, die Augen wie erloschen.
„Um Himmels willen!“ sagte Tarzan. „Sind
Sie seit heute nacht hier eingeklemmt?“
„Seit gestern nacht“, flüsterte der
Mann. „Ich dachte, ich müßte sterben. Mein Gott! Länger hätte ich’s nicht
ausgehalten.“
Es mußte Hartmut A. Selbmann sein. Die
Ähnlichkeit mit seinem Bruder war nicht zu übersehen: das gleiche hagere
Gesicht und die gleiche Hakennase. Nur daß Hartmut A. deutlich älter war. Jetzt
zudem sah er aus wie sein eigener Großvater auf dem Sterbebett.
„Durst!“ flüsterte er.
Neben der Treppe fand Tarzan eine
winzige Küche. Er brachte Selbmann ein großes Glas Wasser. Der trank in
gierigen Schlucken. Dann verlangte er einen großen Kognak. Auch den goß Tarzan
ihm ein. Nach einem zweiten Kognak konnte Selbmann sich aufsetzen.
Tarzan fragte, ob er einen Arzt rufen
sollte. Aber das wurde abgelehnt.
„Die Angst. Der Durst. Meine ausweglose
Lage. Die Gewißheit, hier zu sterben, ohne daß jemand mein Hilferufen hört. Das
— mein Junge — waren Höllenqualen. Aber krank bin ich nicht. Was ich jetzt
brauche, ist Kognak. Und den verschreibt mir kein Arzt.“
Er nahm den dritten zu sich.
Tarzan stellte ihm die Flasche ans
Bett, weil er das Einschenken leid war.
Die Farbe kehrte in Selbmanns Gesicht
zurück. Er glotzte zur Terrasse.
Gaby, Karl und Klößchen standen dort
und blickten herein.
„Das sind meine Freunde“, sagte Tarzan.
„Dürfen sie reinkommen?“
„Selbstverständlich.“
Tarzan stellte sie vor, nannte seinen
eigenen Namen und fragte Selbmann dann, was denn eigentlich passiert sei.
„Ach, dieses verfluchte Bett. Ist
handgefertigt von einem Kunstschreiner. Schöner Künstler, der! Auf was gefaßt
machen kann er sich! Es muß so gegen Mitternacht gewesen sein — also vor...
Himmel!... vor 38 Stunden. Ich hatte mich unruhig herumgeworfen. Das muß den
Springfedermechanismus ausgelöst haben. Plötzlich klappte das Bett hoch. Ich
war eingeklemmt. Was sage ich: eingepfercht! Keine Hand konnte ich rühren.“
Tarzan betrachtete das Bett. „Jetzt ist
mir das klar. Sie sind nach unten gerutscht. Sie lagen unterhalb des
Drehpunktes. Dadurch war es Ihnen unmöglich, das Bett zurückzuklappen. Also, an
Ihrer Stelle würde ich künftig woanders schlafen. Das ist ja eine gefährliche
Falle.“
„Lebensgefährlich!“ nickte Selbmann. Er
erholte sich zusehends. Fahlgrau war jetzt nur noch der lappige Schlafanzug.
„Ich habe um Hilfe geschrien“, sagte
er, „bis ich nicht mehr konnte. Durch eine Ritze konnte ich sehen, wie es hell
wurde, wie der Tag verging, wie die Nacht anbrach, wie wieder ein Tag begann — dann
habe ich jedes Zeitgefühl verloren. Ich war auch mehrmals bewußtlos. Die Beine
sind mir abgestorben. Dann hörte ich, wie es läutete — Junge, wenn du nicht
gekommen wärst! Dir verdanke ich mein Leben. Wünsch dir, was du willst! Wenn
ich es erfüllen kann, dann wird es in Erfüllung gehen.“
Tarzan lächelte tiefgründig. „Ich
möchte 400 000 Mark. Aber nicht als Belohnung oder Geschenk. Sondern als
Bezahlung für einen Gegenwert, der Ihnen vor drei Jahren gestohlen wurde.“
Verwundert blickte Selbmann ihn an. „Wie
bitte?“ Was meinst du?“
„Ich meine die beiden Briefmarken, die
Mauritius von 1898 auf einem Kuvert. Die wurden Ihnen doch von Einbrechern
entwendet. Wir kennen den derzeitigen Besitzer, der übrigens mit dem Diebstahl
nicht das Geringste zu tun hat, aber dennoch ungenannt bleiben will. Er bietet
Ihnen die Marken zum Kauf an — die ja ulkigerweise schon mal in Ihrem Besitz
waren. Und als Philatelist sind Sie doch sicherlich noch so anspruchsvoll wie
ehedem.“
Grinsend fletschte Selbmann die Zähne.
Er begann schallend zu lachen. Dabei wollte er Kognak trinken. Das Glas stieß
ihm gegen die Zähne. Der Kognak landete auf seiner Pyjamajacke.
„Köstlich! Haha!“
Jetzt schnappt er über! Tarzan
wechselte einen Blick mit seinen Freunden. Vielleicht hat ihn der
Springmechanismus im Oberstübchen verletzt.
„Die beiden Mauritius“, rief Selbmann, „besitze
ich immer noch. Was mir damals gestohlen wurde, das sind Repliken.“
„Was ist denn das?“ fragte Klößchen.
„Nachbildungen. Zweitanfertigungen von
geringem Wert. Von Kunstwerken macht man so was, weil man die Originale (das
Echte, Erste, Ursprüngliche) streng unter Verschluß hält. Aber man will ja
was
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