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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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vergessen hatte. Hinzu kam, daß sein ewig
hungriger Magen nur mit einer halben Portion Eierkuchen besänftigt war. Wie
sollte er so den Tag überstehen?
    Sie erreichten den Wald. Hier war es
schattig und kühl. Der Weg stieg an. Sie begegneten Holzfällern. Später kreuzte
der Weg die Straße. Ihr folgten sie jetzt. Es ging wieder abwärts, und das
Tempo wurde flotter. Dann — hinter einer Kurve — sahen sie den Trimi-See unten
im Tal.
    Er war ringsum bewaldet. An der Straße,
die ihn umrundete, standen nur vereinzelte Häuser: kleine, aber schicke
Wochenendhäuser oder betagte Villen sowie die beiden Ausflugsgaststätten am
Nord- und am Südende.
    Der See spiegelte wie eine Platte aus
Silber. Eine Handvoll Boote mit bunten Segeln kreuzte im Wind. Dazwischen
glitten Windsurfer über das Wasser. Viel Betrieb war allerdings noch nicht.
Morgen und am Sonntag würde es anders sein — so das Wetter hielt.
    „Herrlich!“ schwärmte Gaby. „So nahe
bei der Stadt — und doch schon die schönste Urlaubslandschaft.“
    Sie fuhren ins Tal hinab und dann am
See entlang. Die Straße gabelte sich. Die breite Fahrbahn — eine
Umgehungsstraße — rückte vom See ab. Hier fuhr, wer nicht nach Trimi-See
hineinwollte. Die Abzweigung führte dicht am Ufer entlang, hieß Seepromenade
und war sozusagen die Hauptstraße der weit verstreuten Gemeinde.
    „Nr. 31“, Karl deutete auf eine Villa. „Und
dort ist 29. Die Richtung stimmt.“
    Sie suchten Nr. 11, und die war bald
gefunden.
    Hartmut A. Selbmanns Ferienhaus erwies
sich als schlicht und unauffällig, stand aber auf dem größten Grundstück und
hielt somit beträchtlichen Abstand zu den Nachbarn.
    Ein schmiedeeiserner Zaun hielt
ungebetene Gäste fern. Dahinter wuchs eine hohe Hecke als Sichtblende. Nur
durch die Einfahrt sah man das Haus. Das Tor, wo die Kinder jetzt hielten, war
geschlossen.
    Auf der Rückseite des Hauses — nur die
konnten sie sehen — waren alle Fenster geschlossen, sowohl im Erd- wie auch im
Obergeschoß.
    „Er scheint nicht mehr da zu sein“,
sagte Gaby.
    Tarzan deutete zur Garage. „Das Tor ist
zwar unten, aber nicht eingeklinkt. Ich sehe mal nach, ob was mit vier Rädern
drin steht.“
    Er flankte über die Fußgängerpforte,
lief zur Garage und schob das Tor hoch. Ein weinroter Mercedes stand da.
    Tarzan bedeutete seinen Freunden, was
er vorhätte, lief weiter zum Haus, fand den Eingang an der Seite und drückte
auf die Klingel. Er hörte das Schrillen hinter der Tür, wartete und klingelte
abermals. Lauschend schob er den Kopf vor.
    Was war das? Es hörte sich an wie
schwache Hilferufe. Sehr gedämpft klangen sie, als wäre der Rufer geknebelt.
Sie kamen aus dem Haus.
    „Hiiilfe!“ Und noch einmal hörte er die
ermattete Stimme: „Hiiilfe!“
    „Da ist was passiert!“ rief er seinen
Freunden zu. „Ich muß ins Haus. Ich höre Hilferufe.“
    Er drückte auf die Klinke, aber die Tür
war verschlossen. Rasch umrundete er das Gebäude. Seeseitig war eine Terrasse
angebaut.
    Mit dem Ellbogen zertrümmerte er das
Glas der Tür. Er konnte sie aufhebeln und trat in einen sehr großen Raum, mehr
schon eine Art Wohnhalle, die nahezu das ganze Erdgeschoß einnahm. Im
Hintergrund führte eine Treppe nach oben. Es gab weder Diele noch Vorraum.
Durch die Eingangstür gelangte man gleich in die Wohnhalle.
    Die rustikale Einrichtung bestand aus
Zirbelholz. Schränke und Regale waren ringsum in die Wände eingebaut.
    „Hilfe!“
    Tarzan schrak zusammen.
    Die Stimme war ganz nahe, klang zwar
immer noch gedämpft, aber deutlicher.
    Doch er sah niemanden.
    „Hilfe! Bitte...“
    Nicht zu fassen! dachte Tarzan. Da ist
wer im Schrank eingesperrt.
    Er ging auf die Einbauten zu. Und
jetzt, beim Näherkommen, sah er das Klappbett.
    Hochgeklappt war es von den Schränken
rechts und links nicht zu unterscheiden — mit seiner reichen Schnitzerei.
    Doch die beiden — versenkbaren — Holzfüße,
auf denen es ausgeklappt ruhte, ragten noch hervor. Außerdem war es nicht ganz
in seine hochschrankartige Vertiefung zurückgeklappt. Blaßgrüne Bettwäsche hing
an der Seite heraus.
    Da steckt er drin! schoß es Tarzan
durch den Kopf.
    Er reckte sich hoch, faßte die obere
Kante und klappte das Bett vorsichtig auf. Es leistete Widerstand, als wäre was
mit dem Drehmechanismus nicht in Ordnung. Tarzan setzte Kraft ein. Krachend
zersprang irgendwo eine Stahlfeder, und das Bett glitt in die Waagerechte.
    Ein Mann lag darin.
    Er lag schräg, aber mit dem Kopf

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