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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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die Kosten für das
    Unternehmen mehrere tausend Pfund betrugen - gab man Captain Arthur Philip den Befehl, nach dem Great South Land, dem Großen Südland, in See zu stechen. Das war im Jahr 1787. Seine Flotte von elf Schiffen hatte über eintausend Verurteilte an Bord, außerdem Matrosen, Seeoffiziere und ein Kontingent Marinesoldaten. Eine ruhmreiche Odyssee auf der Suche nach Freiheit war dies wirklich nicht. Ende Januar 1788, acht Monate nach dem Aufbruch von England, erreichte die Flotte Botany Bay. Seine Verrücktheit George III. hatte für seine Sträflinge einen neuen Abladeplatz gefunden: die Kolonie Neusüdwales.
    1801 wurde Roderick Armstrong im Alter von zwanzig Jahren zur Deportation auf Lebenszeit verurteilt. Spätere Armstrong-Generationen behaupteten, er sei vornehmer Abstammung gewesen. Seine Familie, in Somerset ansässig, habe nach der Amerikanischen Revolution ihr Vermögen verloren. Und von einem Verbrechen könne bei ihm überhaupt nicht die Rede sein. Allerdings hatte kein Armstrong je ernsthafte Anstrengungen unternommen, die Vergangenheit des berühmten Vorfahren zu erforschen. Man sonnte sich im Abglanz seiner angeblichen Gloriole und improvisierte im übrigen ein wenig.
    Wie es um seine Herkunft auch bestellt sein mochte, der junge Roderick Armstrong war jedenfalls ein Heißsporn. Während der unglaublich harten achtmonatigen Überfahrt nach Neusüdwales erwies er sich als ganz besonders schwieriger Fall, aber er starb nicht - verweigerte sozusagen auch hierin den Gehorsam. Als er 1803 in Sydney eintraf, wurde es mit ihm noch schlimmer, und so wurde er zur Norfolkinsel gebracht und in das Gefängnis für Widerspenstige gesteckt. Doch nichts konnte ihn gefügig machen. Man ließ ihn hungern. Man pferchte ihn in eine Zelle, die so klein war, daß er dort nicht sitzen, nicht liegen, ja nicht einmal richtig stehen konnte. Man prügelte ihn, bis er einer einzigen blutigen Masse glich.
    Man kettete ihn an einen Felsen im Meer und ließ ihn halb ertrinken. Und er lachte seinen Peinigern ins Gesicht: ein Haufen Knochen in dreckigen Lumpen, mit Narben am ganzen Körper und ohne einen Zahn im Mund. Doch in ihm brannte eine Flamme aus Erbitterung und Trotz, die unverlöschbar zu sein schien. Am Anfang eines jeden Tages schwor er sich, nicht zu sterben, und am Ende eines jeden Tages lachte er triumphierend, weil er noch am Leben war. 1810 schaffte man ihn nach Van-Diemens-Land und steckte ihn in einen Trupp von Kettensträflingen, der durch das eisenharte Sandsteingelände hinter Hobart mit Pickhacken eine Straße zu bahnen hatte. Roderick benutzte bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit seine Picke, um damit dem Oberaufseher ein Loch in den Brustkorb zu hacken. Sodann massakrierten er und zehn weitere Sträflinge weitere fünf Aufseher, indem sie ihnen Zentimeter für Zentimeter das Fleisch von den Knochen schabten, bis die Männer unter gellendem Geschrei verendeten. Denn Sträflinge wie Aufseher waren Bestien - Urwesen gleichsam, die keine menschlichen Gefühle mehr kannten.
    Mit dem Schnaps und dem Proviant ihrer Opfer kämpften sich die elf Männer voran durch endlose, kalte Regenwälder. In der Walfangstation Hobart stahlen sie ein Langboot und machten sich auf über die Tasman-See. Proviant hatten sie nicht mehr, und sie hatten auch kein Trinkwasser und keine Segel. Als das Langboot an die wilde Westküste von Neuseelands Südinsel gespült wurde, waren nur noch Roderick Armstrong und zwei andere Männer am Leben. Nie ließ er über diese unglaubliche Fahrt ein Wort fallen, aber man flüsterte sich zu, die drei hätten nur überlebt, indem sie ihre schwächeren Gefährten töteten und aßen.
    Neun Jahre waren seit seiner Deportation aus England vergangen. Noch immer war er ein junger Mann, doch er sah aus wie sechzig. Als 1840 die ersten »amtlich genehmigten«
    Siedler eintrafen, hatte er im reichen Canterbury-Distrikt der Südinsel für sich längst Land gerodet und außerdem eine Maori-Frau geheiratet - ohne irgendeine Trauungsurkunde allerdings - und mit ihr dreizehn hübsche halbpolynesische Kinder gezeugt. Gegen 1860 waren die Armstrongs KolonialAristokraten. Ihre männlichen Sprößlinge schickten sie nach England auf exklusive Schulen, und ihre Abstammung von einem wahrhaft bemerkenswerten Mann bewiesen sie durch ein wahrhaft bemerkenswertes Besitzstreben, das sich mit einem erstaunlichen Quantum List und Verschlagenheit paarte. Rodericks Enkelsohn James hatte Fiona gezeugt, die

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