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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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auf denen sich Passanten ausruhen konnten. Vor der Freimaurerhalle stand ein Fahnenmast, an dem in der steifen Brise ein ziemlich zerlappter Union Jack flatterte. So etwas wie eine Automobilwerkstatt gab es in der Stadt noch nicht, denn der Besitz von »pferdelosen Kutschen« war auf einige wenige beschränkt. Doch nicht weit von der Freimaurerhalle stand eine Schmiede mit einem Stall dahinter, und fast unmittelbar neben dem Pferdetrog sah man die Benzinpumpe. Das einzige Gebäude in der gesamten Siedlung, das wirklich den Blick auf sich zog, war ein sonderbar hellblauer Laden - sehr unbritisch: Alle anderen Gebäude trugen einen Anstrich von nüchternem Braun. Die öffentliche Schule und die anglikanische Kirche standen Seite an Seite, direkt gegenüber der Heiligen-Herz-Kirche und der katholischen Schule.
    Während die Cleary-Kinder am General Store vorübereilten, erklang die Glocke der katholischen Schule, fast unmittelbar gefolgt vom lauteren Schall der größeren Glocke vor der öffentlichen Schule. Bob fiel in eine Art Trab, und sie liefen auf einen kiesbestreuten Hof, wo sich gerade rund fünfzig Kinder vor einer kleinen Nonne formierten, die einen biegsamen Stock schwang, der länger zu sein schien als sie. Ohne daß es ihm gesagt werden mußte, stellte Bob sich mit seinem Trupp abseits der anderen Kinder auf, den Blick auf den Stock der Nonne gerichtet.
    Das Herz-Jesu-Kloster hatte zwei Stockwerke, was man jedoch nicht sofort bemerkte, da es hinter einer Umfriedung ein Stück von der Straße entfernt stand. Im oberen Stockwerk wohnten die drei Barmherzigen Schwestern mit einer vierten Nonne, die als Haushälterin fungierte und die man nie zu Gesicht bekam. Im Erdgeschoß gab es drei große Räume, wo unterrichtet wurde. Rings um das rechteckige Gebäude lief eine breite, schattige Veranda. Dort durften sich die Kinder, hauptsächlich während der Pausen, an Regentagen aufhalten. An Sonnentagen war das verboten. Es gab mehrere große Feigenbäume auf dem Grundstück, und hinter der Schule fiel das Gelände ab und bildete unten eine kreisförmige Grasfläche, die man euphemistisch »Kricketplatz« getauft hatte. Tatsächlich wurde dort am häufigsten Kricket gespielt.
    Bob und seine Brüder standen stocksteif und ignorierten die spöttischen und verstohlenen Laute aus der Gruppe der Kinder. Jetzt marschierten die angetretenen Schüler in das Gebäude, und zwar zu den Klängen des geistlichen Liedes, das Schwester Catherine drinnen auf dem klirrenden Schulklavier spielte.
    Erst als das letzte Kind verschwunden war, löste Schwester Agatha sich aus ihrer steifen Haltung. Sie schwang herum und kam auf die Clearys zu.
    Meggie starrte die Nonne an. Sie hatte noch nie eine gesehen, und der Anblick schien in der Tat außergewöhnlich. Von Schwester Agatha selbst waren nur ein Stück Gesicht und die beiden Hände zu sehen. Bei der Nonnentracht herrschte, wenn man von dem weißen gestärkten Brustkragen einmal absah, fast ausschließlich das schwärzeste Schwarz vor. Um Schwester Agathas stattliche Leibesmitte schlang sich ein breiter Ledergürtel, dessen Enden durch einen Metallring miteinander verbunden waren. Von diesem Ring baumelte ein Rosenkranz herab. Die Haut der Nonne wirkte ewig gerötet, teilweise eine Folge übermäßiger Reinlichkeit, teilweise bedingt durch den permanenten Druck, den die Haube - der sogenannte Schleier - auf ihr Gesicht ausübte, auf ein gleichsam entkörperlichtes Gesicht. Überall auf ihrem Kinn sprossen winzige Haarbüschel, und Lippen schien sie nicht zu besitzen. Ihr Mund war zu einem schmalen Strich zusammengepreßt, ganz als müsse sie sich unentwegt auf die schwere Aufgabe konzentrieren, hier in dieser hinterwäldlerischen Einöde eine Braut des Himmels zu sein nachdem sie fünfzig Jahre zuvor in einem so sanft und traut wirkenden Kloster in Killarney den Schleier genommen hatte. Oben an ihrer Nase sah man zwei rötliche Flecken, Spuren des stählernen Brillengestells. Die fahlblauen Augen hinter den Gläsern blickten mißtrauisch und erbittert.
    »Nun, Robert Cleary, warum kommst du zu spät?« fauchte Schwester Agatha.
    »Es tut mir leid, Schwester«, sagte Bob, den Blick nach wie vor auf ihrem jetzt hin und her schwingenden Stock. »Warum kommst du zu spät?« wiederholte sie. »Es tut mir leid, Schwester.«
    »Dies ist der erste Morgen des neuen Schuljahrs, Robert Cleary, und ich hätte eigentlich gedacht, daß du wenigstens an diesem Tag versuchen würdest, pünktlich zu

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