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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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haben? Um zu sehen, was wir gesehen haben?« »Nicht, Jims, nicht. Sprich nicht so!«
    Unwillkürlich richteten beide den Blick zum Rasen, wo Dane jetzt vor Vergnügen gluckste, weil Patsy ihn kopfstehen ließ. »Sorge dafür, daß er Drogheda nie verläßt, Meggie«, sagte Jims. »Auf Drogheda kann er keinen Schaden nehmen.«
    Erzbischof de Bricassart lief, nein, rannte den wunderschönen hohen Korridor entlang, und er achtete nicht auf die verblüfften Gesichter jener, denen er hier begegnete. Er stürzte in das Zimmer des Kardinals und blieb dann abrupt stehen. Seine Eminenz hatte einen Besucher: Monsieur Papee, den Botschafter der polnischen Exilregierung beim Heiligen Stuhl. »Nanu, Ralph! Was ist denn?« »Es ist geschehen, Vittorio. Mussolini ist gestürzt.« »Gütiger Jesus! Der Heilige Vater, weiß er es?«
    »Ich habe selbst in Castel Gandolfo angerufen, obwohl die Meldung auch jeden Augenblick über den Rundfunk kommen müßte. Ein Freund im deutschen Hauptquartier hat mich telefonisch verständigt.«
    »Hoffentlich hat der Heilige Vater seine Koffer gepackt«, sagte Monsieur Papee mit leisem, ganz leisem Amüsement. »Wenn wir ihn als franziskanischen Bettelmönch verkleiden, hat er vielleicht eine Chance hinauszuschlüpfen, sonst jedoch nicht«, sagte Erzbischof de Bricassart schroff. »Kesselring hat die Stadt wie mit einem engmaschigen Netz umschnürt.« »Er würde ohnehin nicht gehen«, versicherte der Kardinal. Monsieur Papee erhob sich. »Entschuldigen Sie mich bitte, Eminenz. Ich bin der Repräsentant einer Regierung, die Deutschlands Feind ist. Wenn Seine Heiligkeit nicht sicher ist, so bin ich es erst recht nicht. In meinen Zimmern befinden sich Papiere, um die ich mich kümmern muß.«
    Mit knapper Verbeugung wandte er sich zum Gehen, Diplomat bis in die Fingerspitzen. Er verließ den Raum.
    »War er hier, um sich für seine verfolgten Landsleute zu verwenden?«
    »Ja. Armer Mann, er sorgt sich so sehr um sie.« »Und wir nicht?«
    »Aber natürlich, Ralph! Doch die Lage ist schwieriger, als er weiß.« »Liegt der Kern der Wahrheit nicht vielmehr darin, daß man seinen Darstellungen nicht glaubt!?« »Ralph!«
    »Ist das nicht die Wahrheit!? Der Heilige Vater hat eine ganze Reihe von Jahren in Deutschland verbracht, als Nuntius, unter anderem auch in München. Damals hat er sich in die Deutschen verliebt, und er liebt sie immer noch, allem zum Trotz. Wenn man ihm, als Beweis, die verstümmelten Leichen vor die Augen legen würde, seine Antwort wäre gewiß: Das müssen die Russen getan haben. Nie jedoch seine ihm so teuren Deutschen - ein Volk, das so kultiviert und zivilisiert ist wie sie!«
    »Ralph, Sie sind kein Mitglied der Gesellschaft Jesu. Sie sind nur hier, weil Sie dem Heiligen Vater ein persönliches Treuegelübde geleistet haben. In Ihnen pulsiert das hitzige Blut Ihrer irischen und normannischen Vorfahren, aber ich bitte Sie, seien Sie vernünftig! Seit dem vergangenen September hat dieses Damoklesschwert über uns gehangen, seit dem vergangenen September haben wir darum gebetet, daß der Duce bleiben möge, damit er uns vor deutscher Vergeltung schütze. In Adolf Hitler verkörpern sich sonderbare Widersprüche. Das Britische Empire und die Heilige Römische Kirche sind seine Feinde, und dennoch versucht er nach Möglichkeit, sie zu erhalten. Doch wenn es ihm für seine Interessen vonnöten schien, wenn die Sache auf Messers Schneide stand, hat er alles darangesetzt, um gegen das Britische Empire vernichtende Schläge zu führen. Glauben Sie, er würde im Ernstfall zögern, uns zu vernichten? Wenn er sich provoziert fühlt - etwa, weil wir die Vorgänge in Polen brandmarken -, so wird er nicht zögern, uns zu zerstampfen, zu zermalmen. Und welchen Sinn, um alles auf der Welt, hätte eine solche Brandmarkung, mein Freund? Wir haben keine Armeen, keine Soldaten. Die Vergeltung würde auf dem Fuß folgen, und der Heilige Vater würde nach Berlin gebracht werden. Eben dies ist es ja, was er fürchtet. Sie kennen ja die Geschichte vom Marionettenpapst in Avignon. Wollen Sie, daß unser Papst eine Marionette in Berlin wird?«
    »Tut mir leid, Vittorio, aber aus diesem Blickwinkel kann ich das nicht betrachten. Ich sage, wir müssen Hitler brandmarken, müssen seine Barbarei in alle Welt verkünden! Und wenn er uns an die Wand stellen läßt, so sterben wir als Märtyrer, was die Wirksamkeit unserer Aktion nur erhöhen würde.«
    »Ralph - Sie sind doch sonst nicht begriffsstutzig!

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