Die Dornenvögel
Mann zerrissen, wenn er darauf trat. In den Minenfeldern befanden sich auch noch Deutsche und Italiener: versteckte, vorgeschobene Maschinengewehrnester. Mitunter trat ein Mann auf eine Schützenmine und sah noch, wie sie gleichsam aus dem Sand hochsprang, bevor sie ihn in Stücke riß.
Für Gedanken blieb keine Zeit. Für nichts blieb Zeit außer für dieses fast schneckenartige Vorrücken im Rhythmus der Geschütze, hundert Meter alle drei Minuten, fürs Vorrücken und fürs Beten. Lärm, Licht, Staub, Rauch, und das Entsetzen, das einem in den Därmen wühlte. Minenfelder, die kein Ende zu haben schienen. Wie weit war es noch bis zur anderen Seite? Drei oder vier oder fünf Kilometer? Jedenfalls: ein Zurück gab es nicht. Manchmal klang zwischen den Salven der Geschütze wie irrlichternd eine Dudelsackweise durch. Links von der Neunten Australischen rückten die schottischen Hochländer von der Einundfünfzigsten voran, und jeder Kompanieführer hatte einen Dudelsackpfeifer bei sich. Für einen Schotten war der Klang eines Dudelsacks, der ihn in die Schlacht führte, der verlockendste Laut, der sich denken ließ, und in australischen Ohren tönten die Dudelsackweisen überaus freundlich und tröstlich. Für Deutsche und Italiener mußten sie unheimlich klingen. Zwölf Tage dauerte die Schlacht, und zwölf Tage sind für eine Schlacht eine sehr lange
Zeit. Zu Anfang hatte die Neunte Glück. Die Verluste in den Minenfeldern waren relativ gering, und man rückte dann immer weiter in Rommels Territorium vor. »Wißt ihr«, sagte Col Stuart und stützte sich auf seinen Spaten, »da bin ich doch lieber Infanterist und lass’ mir im Fall des Falles eins verplätten, als daß ich mich abschwitze wie einer von den Pionieren.«
»Na, ich weiß nicht, Kumpel«, knurrte sein Sergeant. »Ich glaube, die haben das bessere Ende erwischt. Sie warten hinter den Linien, bis wir die Drecksarbeit gemacht haben, und dann kommen sie mit ihren blöden Minenräumgeräten und schaffen für die Scheißpanzer hübsche kleine Bahnen.«
»Das ist aber nicht Schuld der Panzer, Bob, sondern der Oberen, die sie einsetzen«, meinte Jims und klopfte mit dem Spatenblatt den höhergelegenen Teil des Grabens fest, an dem sie arbeiteten. »Aber, Himmel, ich wünschte wirklich, die würden uns mal einige Zeit an ein und derselben Stelle lassen! Ich habe in den letzten fünf Tagen mehr gebuddelt als so ein verdammter Ameisenbär in seinem ganzen Leben.«
»Und buddle nur weiter, Kumpel«, sagte Bob ohne das geringste Mitgefühl.
»He, seht mal!« rief Bob und deutete zum Himmel.
In perfektem Formationsflug kamen achtzehn leichte Bomber der RAF das Tal herab und warfen mit tödlicher Genauigkeit über den Deutschen und den Italienern ihre Bomben ab.
»Einfach großartig«, sagte Sergeant Bob Malloy, den langen Hals zum Himmel emporgereckt.
Drei Tage später war er tot. Als man wieder einmal vorrückte, riß ihm ein großer Granatsplitter einen Arm ab und zerfleischte eine Seite seines Körpers. Doch niemand hatte Zeit, bei ihm zu bleiben. Nur seine Trillerpfeife zog man aus dem, was von seinem Mund noch übrig war. Überall sackten
Männer weg wie die Fliegen. Die ununterbrochenen Tage des Kampfes hatten jeden ausgehöhlt, man bewegte sich nur noch mühsam voran. Doch was immer sie an kahlem, ödem Gelände gewannen, gaben sie nicht mehr preis, trotz der erbitterten Abwehrschlacht, die ihnen die Elite einer großartigen gegnerischen Armee lieferte. Im Grunde war es bei allen jetzt nur noch die zähe, halsstarrige Weigerung, besiegt zu werden statt zu siegen.
Die Neunte Australische band jene gegnerischen Einheiten, die von Graf von Sponeck befehligt wurden, während die Panzer nach Süden durchbrachen, und schließlich war Rommel geschlagen. Am 8. November versuchte er, seine Streitkräfte jenseits der ägyptischen Grenze wieder zu sammeln, und Montgomery hatte das Feld jetzt ganz für sich. Ein sehr wichtiger taktischer Sieg. Rommel war gezwungen gewesen, viele seiner Panzer, Geschütze und anderes mehr zurückzulassen. Operation »Torch« konnte ihren Vorstoß von Marokko und Algerien aus mit größerer Sicherheit unternehmen.
Zwar war Rommel, der »Wüstenfuchs«, längst noch nicht endgültig geschlagen, doch bei El Alamein hatten seine Truppen viel von ihrer Kampfkraft eingebüßt. Auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz war die größte und wichtigste Schlacht geschlagen, und der Sieger hieß Montgomery.
Die Teilnahme an der
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