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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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so sehr beschäftigt?«
    »Natürlich. Es dürfte Ihnen ja bewußt sein, daß dies für uns Deutsche jetzt Feindesland ist.«
    »Dies, Herr Generalfeldmarschall? Dies ist kein italienischer Boden, und hier ist niemand Ihr Feind außer jenen, die böse sind.« »Ich bitte um Verzeihung, Euer Eminenz. Natürlich bezog sich meine Bemerkung auf Italien, nicht auf den Vatikan. Doch soweit es Italien betrifft, muß ich tun, was mein Führer befiehlt. Italien wird besetzt werden, und meine Truppen, bis jetzt als Verbündete hier, werden Polizisten sein.«
    Erzbischof de Bricassart wirkte ruhig und gelassen. Nichts in seinem so beherrschten Gesicht verriet, daß ihm bestimmte innere Kämpfe -Kämpfe ideologischer Art, wenn man so wollte - keineswegs fremd waren. Doch insgeheim beobachtete er Kesselring mit angespannter Aufmerksamkeit. Wußte der Generalfeldmarschall nicht, was sein Führer in Polen tat? Wie sollte er es wissen?
    Der Kardinal setzte eine besorgte Miene auf. »Exzellenz, Sie haben dabei doch nicht etwa auch Rom im Auge, nicht wahr? Ah, nein! Nicht Rom mit seiner Geschichte und seinen unersetzlichen Kunstwerken, nicht wahr? Wenn Sie Ihre Truppen nach Rom schaffen, kommt es unvermeidlich zum Kampf, zur Zerstörung. Ich bitte Sie inständig - nur nicht das!«
    Kesselring wirkte eigentümlich beklommen. »Ich hoffe, daß es nicht dazu kommen wird, Euer Eminenz. Aber auch ich habe einen Eid geleistet, auch ich stehe unter Befehl. Ich muß tun, was mein Führer verlangt.«
    »Wollen Sie für uns Ihr Möglichstes versuchen? Bitte, Sie müssen es tun! Vor einigen Jahren war ich in Athen«, sagte
    Erzbischof de Bricassart rasch und beugte sich ein Stück vor. Eine weißgesprenkelte Haarsträhne fiel ihm in die Stirn, der Blick aus den weitgeöffneten Augen hatte von seinem Zauber nichts verloren: Ralph de Bricassart war sich seiner Wirkung auf den Deutschen bewußt, und er nutzte sie ohne die geringste Scheu. »Waren Sie schon einmal in Athen, Exzellenz?«
    »Ja«, erwiderte der Generalfeldmarschall kurz. »Nun, dann kennen Sie zweifellos die Geschichte der Bauwerke auf der Akropolis. Ich meine nicht die Geschichte ihrer Entstehung, sondern die Geschichte ihrer Zerstörung. Die Ruinen, die man dort jetzt sehen kann, sind ja nicht das Produkt einer weit zurückliegenden Vergangenheit. Nein, es brauchte Menschen einer relativ modernen Zeit, um dieses Werk der Zerstörung zu vollbringen. Herr Generalfeldmarschall - noch steht Rom so, wie man es seit altersher kennt, ein Denkmal, das von zweitausend Jahren Pflege, Sorgfalt, Liebe zeugt. Ich flehe Sie an, bringen Sie es nicht in Gefahr.« Aus dem Blick, mit dem Kesselring den Erzbischof betrachtete, sprach Bewunderung, gemischt mit Verblüffung. Die Uniform stand Kesselring ganz ausgezeichnet, doch nicht weniger gut kleidete den Erzbischof seine Soutane mit ihrem Hauch imperialen Purpurs, und sie tat es, wenn man so wollte, auf sehr ähnliche Weise: Irgendwie erinnerte der Mann, der sie trug, jetzt an einen Soldaten - ein ganz und gar nicht verweichlichter Körper und das Gesicht eines Engels. Ein Gesicht, wie man es sich für den Erzengel Michael denken konnte; nicht die glatte Larve eines Renaissance-Jünglings, sondern die reifen, tiefgeprägten Züge eines nicht mehr jungen Mannes, der Luzifer geliebt und dann gegen ihn gekämpft hatte, der Adam und Eva aus dem Paradies vertrieb, der die Schlange erschlug, der zur Rechten Gottes stand. Wußte Ralph de Bricassart, wie er aussah? Jedenfalls war er ein Mann, den man nicht vergaß. »Ich verspreche Ihnen, mein Möglichstes zu tun, Euer Exzellenz«, sagte Kesselring. »Bis zu einem gewissen Grade liegt die Entscheidung bei mir, das räume ich ein. Wie Sie wissen, bin ich ein zivilisierter Mensch. Aber Sie verlangen sehr viel. Wenn ich Rom zur offenen Stadt erkläre, so bedeutet das, daß ich dort keine Brücken sprengen und keine Gebäude in Verteidigungsstellungen verwandeln kann, was sich für Deutschland letzten Endes zum Nachteil auswirken könnte. Welche Garantie habe ich, daß Rom mir meine Rücksichtnahme nicht mit Verrat entgilt?«
    Der Kardinal schürzte leicht die Lippen. Er schien seiner Katze (eine elegante Siamesin war es jetzt) Luftküsse zuzuschicken. Dann lächelte er mild und blickte zum Erzbischof.
    »Rom würde Freundlichkeit nie mit Verrat entgelten, Herr Generalfeldmarschall. Und falls Sie Zeit finden, jene zu besuchen, welche in Castel Gandolfo ihren Sommeraufenthalt genommen haben, so wird man Ihnen

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