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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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alles ganz genauso, nur verkehrt herum zeigte. Onkel Gideon hatte gesagt, dass die Verwerfungsspalte einen in der Zeit zurückführte, aber Octavio Tinker war offenbar der Meinung gewesen, dass auch andere Wirklichkeiten, andere Welten möglich waren. Was sich hinter dem Kommodenspiegel aufder Ordinary Farm verbarg, konnte also auch eine andere Version der Farm sein.
    Was bedeutete, so wurde ihm plötzlich klar, dass er keine Ahnung hatte, worauf er hier stoßen konnte.
    Er beugte sich über das Geländer und blickte den Treppenschacht hinunter in die lichtlosen Tiefen des Kellers.
    »Steve?«, rief er. »Bist du da unten?«
    Ein trockenes Rascheln kam emporgewispert, als ob jemand tote Blätter und abgestreifte Schlangenhäute die Stufen hinaufschleifte. Es hörte sich nicht im geringsten nach Steve Carrillo an, aber es schien langsam näher zu kommen.
    Tyler eilte weiter auf dem Korridor Richtung »KEHTOILBIB«.
    Am Ende einer gefühlten Meile verwinkelter, schlecht beleuchteter Gänge fand er sie schließlich. Sie war mindestens so groß wie die reale, wenn nicht größer, und auch mindestens genauso mit Bücherregalen gefüllt, wobei viele davon nicht in geraden Reihen standen, sondern zusammen mit Tischen, Stühlen und anderen Möbeln wahllose Gruppen bildeten. Falls es Bibliotheken gab, in denen es spukte, dann sah die hier auf jeden Fall wie eine aus. Viele der flackernden Wandlichter waren nicht einmal Öllampen, sondern schlichte Kerzen. Ihre Flammen wackelten, wenn er vorbeiging, so dass sein Schatten an den Wänden zu tanzen und zu springen schien.
    »Steve? Steve Carrillo? Wo bist du?«
    Er meinte, ein Geräusch zu hören, kein kratziges Zischen und Rascheln wie auf der Treppe in den Keller, sondern eine gedämpfte Stimme, als ob jemand aus einem anderen Zimmer riefe. Er schlich leise durch den breiten Mittelgang, wobei er ohne sonderliches Interesse die rückwärts beschrifteten Buchrücken in den Regalen betrachtete. Auch in dieser Bibliothek hingen Bilder an den Wänden, allerdings hatte keinesÄhnlichkeit mit dem großen Porträt von Octavio Tinker. Die meisten dieser Bilder zeigten merkwürdig aussehende und noch merkwürdiger gekleidete alte Leute. Einige stellten Landschaften dar: dunkle, stürmische Meere und einsame Berggipfel. In den Zwischenräumen standen hier und da Vitrinen mit Sammlerstücken, die aussahen, als wären sie von den ältesten, staubigsten Dachböden gekommen, die man sich vorstellen konnte. Eine rotschwarze Kugel erregte seine Aufmerksamkeit, weil sie wie ein großer Edelstein aussah. Er spähte in die Vitrine, um das Etikett zu lesen. IEREHTNAP stand darauf.
    Pantherei? Was war das für ein Blödsinn? Allerdings gab es hier durchaus auch interessante Sachen, die man bei anderer Gelegenheit erkunden konnte. Wenn das alles nur nicht so gruselig gewesen wäre.
    Es raschelte in der Nähe, und als Tyler herumfuhr, sah er gerade noch einen Schatten hinter eine der Regalreihen huschen. »St-steve?«, rief er. Keine Antwort.
    Er bewegte sich jetzt schneller und achtete darauf, im offenen Mittelteil des Raumes zu bleiben. Wer konnte wissen, wie weitläufig diese Seite des Spiegels war? Vielleicht war das hier eine ganze Welt! Tylers Hoffnungen schwanden, den Jungen von der Nachbarfarm jemals zu finden. Er hob ein wenig die Stimme. »Steve?«
    »Ssssssssteeeeeeeeeev …« Es war kein Echo, das durch den Saal flüsterte, sondern irgendwie seltsamer und viel verstörender, als ob ein Wesen, das nie zuvor gesprochen hatte, seine Stimme zu imitieren versuchte. Wieder drehte sich Tyler um und sah weiter hinten in einem der Gänge eine groteske schattenhafte Gestalt, die aussah, als wäre sie in flatternde Lumpen gehüllt und bewegte sich vornübergebeugt in einem seitlichen Krebsgang. Sie war nur einen Moment zu sehen undzog sich dann rasch in die Dunkelheit jenseits des Kerzenscheins zurück.
    »Sssteeeee …«, wisperte die brüchige Stimme aus dem Dunkel, dann tauchte der Schatten wieder auf, diesmal eine Reihe näher. Die Lumpen wehten wie Unterwasserpflanzen, die nach oben ans Licht strebten.
    Tyler lief los.
    Nur ja so viele Regalreihen wie möglich zwischen sich und diesen unheimlichen Verfolger bringen, dachte er sich, und in Sekundenschnelle hatte er den nächsten Abschnitt der Bibliothek durchquert. Auf einmal war er in einer Art Galerie, an deren hinterer Wand alte Schwarzweißfotografien von halbfertigen Maschinen und Monumenten hingen. Eine Tür stand einen Spaltbreit auf,

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