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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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zurück.
    Ich habe sie gefühlt – richtig gefühlt! Das war Meseret!
    Der nächste Sturzflug. In näherer Entfernung stand etwas am Boden, das größer war als die zweibeinigen Rattenaffen, viel größer. Vor Meserets innerem Auge, und vor Lucindas jetzt auch, sah es wie eine riesige Libelle aus, um deren kreisende Flügel herum die Wärme der ansteigenden Energie leuchtete. Weitere kleine Lichtkleckse standen darum wie Eier, wie Läuse, wie Maden, und einer davon hatte ihr Ei. Alle diese Rattenaffen, die sie gefesselt und gefangen gehalten und jetzt obendrein beraubt hatten – Meseret hasste sie mit einem weißglühenden Hass …
    Der Hubschrauber, dachte Lucinda. Genau wie Carmen und Alma gesagt haben. Dorthin muss Colin gegangen sein – aber warum?
    Die Mordlust pulste durch Meseret wie ein einzelner schriller Ton. Ihre Flügel knarrten, als sie beschleunigte, und der stärkere Fahrtwind hätte Lucinda beinahe von dem Drachenrücken heruntergefegt.
    Nein! Lucinda gab sich alle Mühe, das fremde Empfinden wiederzufinden, das Eigenempfinden der Drachin. Nicht! Du bringst sie alle um, und dein Junges mit! Lass dir helfen!
    Was? Die Frage drang als ein zäher Strudel neugieriger Verwunderung in Lucindas Bewusstsein. Jemand anders sprach in Meseret, und aller Wut zum Trotz war sie überrascht. Wer?
    Lucinda. Die … der Rattenaffe. Ich bin auf deinem Rücken, merkst du das nicht? Ich habe mich in den Riemen verheddert, als du aus dem Krankenstall ausgebrochen bist. Kaum etwas davon schien durchzukommen, und so versuchte sie sich die Erinnerungen bildlich vorzustellen, wie einen Film: das Zerren an den Fesseln, die Flucht, ihr Mitgerissenwerden.
    Du … sprichst? Drachensprache?
    Irgendwie, scheint’s … Aber du musst anhalten. Ich helfe dir, aber du darfst diesen … dieses große Insektending nicht angreifen. Sie stellte sich den Hubschrauber vor, wie Meseret ihn sah, und versuchte dabei, ihn ihr so zu zeigen, wie sie ihn sah, so dass er in dem Moment beides gleichzeitig war, lebendig und nicht lebendig, Libelle und Flugzeug voller Passagiere. Du bringst alle um, und wir kriegen dein Ei nie wieder zurück.
    Egal. Der Gedanke war hart und schneidend, aber endgültig. Ei zu lange fort. Nicht belebt. Tot wie die andern. Die Gedanken waren verworren, aber die Ablehnung war kristallklar. Eierdieb stirbt. Fluginsektenhaus stirbt. Wir sterben. Egal. Keine Jungen, niemals. Alles egal. Alles …
    Die benommene Verzweiflung der Drachin trieb Lucinda die Tränen in die Augen, doch für Mitgefühl war keine Zeit. Jenäher Meseret dem wartenden Hubschrauber kam, umso unsicherer wurde ihr Flug. Das Betäubungsmittel, das Haneb ihr gegeben hatte, legte jetzt einen schweren, dichten Nebel über ihre Gedanken.
    Bitte! Lucinda versuchte erneut, sie zu erreichen. Bitte lass mich helfen! Ich will nicht sterben – meine Mutter wird furchtbar leiden. Ich bin doch ihr Junges!
    Einen Moment lang verlangsamte sich Meserets unbarmherziger Flügelschlag. Etwas Licht drang durch die Wolkendecke in ihrem Innern wie ein Sonnenstrahl. Sie setzte zu einem langen Gleitflug zum Boden an.
    Sie hat mich gehört – und verstanden! Lucinda ließ den Atem ausströmen, den sie so lange angehalten hatte. Da ertönte Motorenbrummen, und der Hubschrauber erhob sich in die Luft.
    NEIN! Der Gedanke allein war wie ein Flammenstoß, der alles zu grauer Asche verbrannte. NEIN NEIN NEIN NEIN! Ganz dicht über dem Boden stieg die Drachin mit einem mächtigen Flügelschlag wieder empor und sauste auf den steigenden Hubschrauber zu.
    »Nicht!«, schrie Lucinda, doch die Verbindung war abgerissen. Die konfuse und verzweifelte Drachin hörte nicht mehr hin. Meseret schrammte knapp über die Wipfel einer Baumreihe und wurde schneller. Lucinda konnte selbst nichts sehen, doch sie nahm weiterhin etwas von den Drachengedanken wahr, sah etwas von dem, was Meseret sah. Schwindel durchströmte sie wie eine Welle, und der Horizont samt dem größer werdenden leuchtenden Umriss des insektenähnlichen Hubschraubers kippte urplötzlich ab. Im letzten Moment konnte sich die Drachin noch einmal fangen, doch zu spät. Sie stieß zwar nicht frontal mit dem Helikopter zusammen, aber mit dem Knall einer hochgehenden Bombe prallte sie seitlichdagegen. Einer der Rotoren schnitt in Meserets Flügel, und der rote Schmerzensblitz ließ Lucindas Hirn wie Feuer aufflammen. Drache und Hubschrauber versuchten vergeblich, wieder ins Gleichgewicht zu kommen, dann stoben sie

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