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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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ihre keifende Sportlehrerin zu kümmern, die angeblich wusste, dass Lucinda es schaffen konnte, wenn sie nur wollte.
    Diesmal jedoch würde sie sterben, wenn sie es nicht schaffte. Der Knoten würde aufgehen und sie herunterfallen, oder sie würde mit dem Kopf an einen Baum knallen oder gar, vielleicht die schlimmste Aussicht, bei der Landung der Drachin hundert Meter weit über Steine und durch Dornen geschleift werden. Und dann? Colins Ende in einem Flammenstoß. Nicht dass es völlig unverdient gewesen wäre, aber dennoch … Tyler und Steve im Spiegel gefangen, wo immer der hinführen mochte, und davor die ohnmächtig wartenden Carrillo-Mädchen. Ein Anruf von irgendjemandem, wahrscheinlich Mrs. Needle, bei ihrer Mutter: »Tut mir schrecklich leid, Ihnendas sagen zu müssen, aber Ihre Kinder werden nicht wieder nach Hause kommen …«
    »Nein!« Sie konnte sich, so laut wie der Wind in ihren Ohren pfiff, nicht einmal selbst schreien hören, aber sie fühlte eine klitzekleine Reaktion von Meseret, als ob die Drachin trotz der Wut, die in ihr tobte wie ein Bienenschwarm, ganz schwach Lucindas Stimme wahrnähme. Doch das war für sie offenbar kein Grund, langsamer zu werden oder innezuhalten.
    Lucinda grapschte abermals nach ihrem Fuß und fing an, sich in die Höhe zu ziehen. Es war wahnsinnig anstrengend, und einmal lockerte sich zu ihrem Entsetzen der Riemen ein wenig, und sie verlor den Halt, stürzte zurück und knallte mit Rücken und Kopf gegen die harte, lederige Drachenhaut, doch der Knoten straffte sich wieder und hielt. Mühselig zog sie sich erneut nach oben und bekam schließlich den Riemen zu fassen. Sie klammerte sich daran fest, auch wenn der Wind sie immerzu gegen Meserets Flanke prellte, bis sie sich ein wenig verschnauft hatte und der Drang zu schreien nicht mehr ganz so stark war. Schon jetzt waren ihre Muskeln am Ende und brannten. Aber was blieb ihr für eine Wahl?
    »Meseret! Kannst du mich hören? Kannst du mich verstehen? Setz mich ab! Du bringst mich um, wenn du mich nicht absetzt!«
    Doch die Drachin beachtete weder Lucindas Worte noch Gedanken. Unbeirrt flog sie nach Süden und folgte dabei den Bodenwellen, so dass jeder Schlag der fledermausartigen Schwingen die beiden auf- oder abwärts trug. Lucinda biss die Zähne zusammen, bis ihr die Ohren klangen, und zog sich weiter empor.
    Ihre Sportlehrerin hätte sie nicht wiedererkannt. Erst die eine Hand, dann die andere darüber, ein Stückchen hochziehen, das Ganze von vorn. Ihre Finger waren ganz klamm und schmerzten von der Anstrengung, das Körpergewicht gegen den Widerstand des Windes zu halten, der an ihr zerrte und sie in die Tiefe schleudern wollte, doch sie wusste, dass sie nicht die Kraft hatte, noch einmal von vorn anzufangen, wenn sie den Halt verlor. Sie schmeckte Salz im Mund von ihrer blutig gebissenen Lippe. Sie konnte nicht einmal etwas sehen, weil der Wind und die Schmerzen ihr die Tränen in die Augen trieben.
    Eine Hand. Andere Hand. Ziehen. Eine Hand. Andere. Wieder ziehen.
    Der Wind traf sie jetzt voll von hinten und wehte ihr die flatternden Haare vors Gesicht, so dass sie im ersten Moment nicht von dem langen Drachenschwanz zu unterscheiden waren, der im Flug hin und her peitschte.
    Geschafft! Sie war jetzt mit dem ganzen Körper über dem Knoten am Fußgelenk, und mit einem letzten Klimmzug richtete sie sich auf und krallte sich an Meserets breite Flanke. Nach hinten zum Schwanzende der Drachin gewandt stand sie in der Schlinge wie in einem Steigbügel. Lucinda setzte den freien Fuß auf den Knoten und ruhte so eine ganze Weile aus, doch sie wusste, dass sie noch nicht sicher war – als ob es so etwas wie Sicherheit gäbe, wenn man an einem fünf Tonnen schweren Drachen hing, der wutentbrannt durch die Lüfte sauste. Dennoch mobilisierte sie ihre allerletzten Kraftreserven und arbeitete sich mit Hilfe der Füße weiter nach oben, bis sie schließlich auf Meserets breitem, schuppigem Rücken in einer relativ stabilen Position war. Lucinda ließ den Knoten um ihr Fußgelenk für alle Fälle zugezogen und klammerte sich an die Wölbung des wuchtigen Hüftgelenks der Drachin, wo sie wenigstens ein bisschen vor dem Wind geschützt war.
    Meseret stieß kurz nach unten, und Lucinda schoss vor Schreck das Herz in die Kehle. Hatte das Ungetüm Colin erblickt? Würde es ihn in Fetzen reißen, vielleicht sogar fressen, während sie nur hilflos zusehen konnte? Was wollte der blöde Kerl überhaupt mit dem Ei? Hatte er es

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