Die Drachen Der Tinkerfarm
auseinander und stürzten vom Himmel.
29
DER TEUFELSPAKT
W arum rennen wir?«, fragte Steve Carrillo völlig außer Atem. »Ich will nicht mehr rennen. Ich renne und verstecke mich schon seit Tagen.«
Tyler blieb stehen, damit alle verschnaufen konnten. »Weil ihr wirklich hier weg müsst. Das kannst du mir einfach glauben.«
Carmen richtete sich auf und strich sich die Haare aus den Augen. »Schon seit Tagen? Du hast gestern den ganzen Tag nichts weiter gemacht, als auf dem Rücken gelegen und Die Schlangenmensch-Spirale gespielt. Du bist mit dem Controller in der Hand eingeschlafen!«
»Von dem Gestern rede ich nicht. Ich war tagelang in diesem Spiegel«, sagte Steve. »Es ist euch bloß nicht so vorgekommen.«
»Das werden wir jetzt noch jahrelang zu hören bekommen«, sagte Carmen. »›Steve, hast du dein Zimmer aufgeräumt?‹ ›Ging nicht, Mama. Ich bin in einen Spiegel gefallen und war so was wie einen Monat weg.‹«
Die kleine Alma tätschelte ihrem Bruder den Arm. »Ich glaube dir, Stevie.«
Tyler schnaubte. »Ist ja alles ganz großartig, aber ich bin wirklich dafür, dass wir uns wieder in Bewegung setzen. Bevor uns noch etwas viel Schlimmeres als der Spiegel passiert.« Wie zum Beispiel von Männern mit einem Hubschrauber geschnappt zu werden – und diesmal wahrscheinlich auch mit Waffen. Er musste dafür sorgen, dass die Carrillos auf dem Nachhauseweg waren, bevor sie die Stelle erreichten, wo der Hubschrauber gelandet war. Was wollte dieser Stillman überhaupt? Und wie hatte er herausgefunden, dass auf der Ordinary Farm ungewöhnliche Sachen passierten?
Sie hatten die letzten Gebäude schon lange hinter sich gelassen und liefen in den Hügeln auf der anderen Seite des Tals zwischen den Pappeln und Krüppeleichen hindurch. Steve klagte immer noch, aber nicht mehr so oft und so laut – dazu fehlte ihm die Luft. Tyler überlegte gerade, ob er die Carrillos langsam sich selbst überlassen konnte, als vor ihnen eine große Gestalt aus der Dunkelheit auftauchte und die Arme weit ausbreitete.
Carmen, die den anderen ein kleines Stück voraus war, wäre beinahe dagegengerannt. Sie kreischte auf, rutschte aus und fiel hin, und schon rollte sie den steilen Abhang hinunter. Die dunkle Gestalt, trotz ihrer Massigkeit flink wie ein hungriger Bär, sprang ihr nach und hielt sie mit dem Bein auf, bevor sie mehr als zehn Meter gekullert war. Tyler war starr vorSchreck, bis er sah, wie der Schatten sich über das keuchende, verängstigte Mädchen beugte. Er griff sich das erste, was er zu fassen bekam, einen Stock, der nicht viel länger war als seine Taschenlampe, und lief los.
»Lass sie in Ruhe!«, schrie er.
»Halt den Mund!«, knurrte die Schattengestalt ihn an. »Und wenn du damit nach mir schlägst, Junge, zieh ich dir die Hammelbeine lang!«
»Ragnar?« Tyler sprang den Hügel herunter. »Bist du das?«
»Ja, bin ich.« Er hob Carmen hoch, als ob sie nicht schwerer als eine Stoffpuppe wäre. »Die Frage ist, was ihr alle hier macht.«
Oben auf dem Hügel stellte Ragnar Carmen nicht sonderlich sanft auf die Beine und funkelte die Kinder böse an. »Ich treibe hier keine Kinderspiele. Sagt mir rasch, warum ihr hier seid. Wenn ihr es wart, die mich mit diesem Handschuh hereingelegt haben, dann habt ihr euch eine Menge Ärger eingehandelt.«
»Was für ein Handschuh?«, fragte Tyler, doch als er den kalten, grimmigen Blick in Ragnars bärtigem Gesicht sah, hatte er den Eindruck, dass es vielleicht besser wäre zu antworten, statt zu fragen.
»Und du schwörst, dass das die Wahrheit ist?«, sagte Ragnar, als Tyler fertig war.
»Es stimmt«, sagte Alma. Ihre Stimme war piepsig, aber erstaunlich fest. »Wir würden dich nicht anlügen, Ragnar.«
Er blickte sie durchdringend an, dann ihre Geschwister, und wandte sich schließlich Tyler zu. »Ich glaube nicht, dass sie lügen würden, aber es wäre nicht das erste Mal, dass du mit einer Wahrheit hinter dem Berg hältst, die du verschweigen möchtest. Ist das jetzt auch so?«
Tyler erwiderte seinen Blick. Er hatte die Geschichte von der Frau im Spiegel verschwiegen, die er für Grace hielt.Er wusste nicht warum, aber er hatte immer noch das Gefühl, dass es Dinge gab, über die er sich erst klarwerden musste, bevor er irgendjemandem voll vertrauen konnte, selbst Ragnar. »Ich habe dir alles gesagt, was ich sagen kann«, erklärte er schließlich und gab sich alle Mühe, Ragnars Blick standzuhalten. »Jetzt musst du entscheiden, ob du mir
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