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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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Plattform wie in einem Hurrikan erzitterten. Von jähem Grauenerfasst sprang Tyler auf, rutschte aber auf der glatten Metallplattform aus, glitt unter dem Geländer hindurch, konnte sich nicht festhalten …
    Eine starke Hand packte ihn am Kragen. Tylers Beine strampelten in der leeren Luft. Dann krallte sich eine zweite Hand in seine Haare und zerrte ihn, der vor Schmerz schrie, mit einem solchen Ruck auf die Plattform zurück, dass er gegen die Wand flog und das Fenster darüber klapperte. Das Etwas hinter der Scheibe ließ ein Grollen hören, und wieder bebte die ganze Plattform.
    »Du dummer Junge!«, schrie ihm jemand ins Ohr. »Du dummer Junge!«
    Mit einem Schlag gingen rings um den Betonbau Lichter an – pfamm pfamm pfamm!  –, strahlend helle, brennende Lichter. Tyler war so geblendet, dass er eine Weile nichts sehen konnte. Als die Flecken vor seinen Augen schließlich verblassten, blickte er in das zornige Gesicht von Mr. Walkwell.

5
    MESERET
    V erschwinde, Tyler«, sagte Lucinda, aber der Klopfer an ihrer Tür klopfte nur abermals, lauter. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen.«
    »Lucinda Jenkins? Mach bitte auf!«
    Es war gar nicht Tyler, sondern ein Mann mit einer tiefen Stimme. Sie sprang aus dem Bett und zog ihre Jeans an. Einen Moment lang war ihr unwohl bei dem Gedanken, einem Fremden die Tür zu öffnen, doch er bat nicht noch einmal, und irgendwie beruhigte sie das.
    Der Fremde war ein großer, bärtiger, blonder Mann im Overall. Er sah sportlich und sehr muskulös aus, aber sein Bart wie seine langen Haare hatten graue Strähnen, und die tiefen Falten um die Augen und auf der Stirn deuteten daraufhin, dass er mindestens so alt war wie ihr Vater, wenn nicht älter.
    »Komm lieber mit«, sagte er. »Dein Bruder ist in Schwierigkeiten.«
    Wegen seines Akzents verstand sie ihn nicht gleich, doch dann fuhr ihr die Panik in die Glieder. »Oh! Ist er verletzt?«
    Der Mann schüttelte langsam den Kopf. Sie konnte sein Mienenspiel nicht recht deuten – verbarg der Bart ein Lächeln oder etwas weniger Schönes? Er hatte zwei alte bleiche Narben auf den Wangen, was sie nervös machte. »Nicht verletzt. Aber ich glaube, du musst mitkommen.«
    Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie kannte den Mann doch gar nicht. Ihr erster Abend auf dem Lande, und schon hatte sich ihr doofer Bruder in irgendetwas reingeritten. »Ich … ich soll nicht mit Fremden mitgehen.«
    Er sah sie einen Augenblick lang fest an, dann musste er wirklich lächeln – die Narben verschwanden in den knittrigen Linien um die Augen, was sein ganzes Gesicht gleich sehr viel netter erscheinen ließ. »Wohl gesprochen, Lucinda Jenkins. Ragnar Lodbrok ist mein Name. Jetzt sind wir uns nicht mehr fremd.«
    »Aber … ich kenne Sie immer noch nicht.«
    Er lachte. »Und ich kenne dich nicht, aber ich vertraue darauf, dass du mir nichts tun wirst. Außerdem gehen wir nur in die Küche hinunter, und da wird vielleicht eine der Frauen ein Wort für mich einlegen, ja?«
    Ihr war ein wenig wohler, obwohl sie einen gewissen Abstand wahrte, als sie zur Tür hinaustrat und ihm folgte. »Was ist passiert? Was hat Tyler gemacht?«
    »Was Jungen so machen.« Ragnar schien darüber nicht sonderlich aufgebracht zu sein. »Aber es war noch nicht so weit.«
    »Wofür?«
    Ragnar zuckte mit seinen breiten Schultern. Der bärtige Mann erinnerte sie ein wenig an die Vogelscheuche aus dem alten Film Der Zauberer von Oz  – er bewegte sich fast, als ob er keine Knochen hätte –, aber die Vogelscheuche hatte nicht annähernd so ein breites Kreuz gehabt.
    Die Vogelscheuche hatte wahrscheinlich auch nicht solche Tätowierungen, dachte sie. Sie hatte soeben blauschwarze Stacheln bemerkt, die aus Ragnars Hemdkragen hervorschauten.
    Die am Fuß der Treppe wartende Mrs. Needle zog sich gerade einen Pullover über ihre dünnen Schultern. »Aha, du hast sie also gefunden«, sagte sie zu Ragnar. »Ich sage es noch einmal: Ich finde nicht, dass du sie mitnehmen solltest. Es ist auch so schon happig genug.«
    Ragnar nickte, aber hinter seiner höflichen Erwiderung war seine Stimme hart. Zwischen den beiden war irgendein Machtkampf im Gange, vermutete Lucinda – ein alter. »Ja. Aber dieses Geheimnis ist ohnehin gelüftet. Da kann sie es auch gleich erfahren.«
    Seine Worte erschreckten Lucinda so sehr, dass ihr die Knie weich wurden. Hatte sie mit der bissigen Bemerkung, die sie zu ihrer Mutter gemacht hatte, etwa recht gehabt? War dies

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