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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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eigentümlichen, ruckartigen Bewegungen erkennen konnte. Es tanzte, das erkannte sie, es sprang hoch in die Luft und streckte die Arme aus, als wollte es die Sterne vom Himmel holen. Von der Taille aufwärts hatte es die Gestalt eines nackten Mannes, schlank und muskulös, aber darunter waren die Schenkel und die schmalen, behuften Füße eines Hirschs oder einer Ziege.
    Der Kopf tauchte einen Augenblick lang in den Feuerschein, und Lucinda hätte beinahe geschrien. Es war Simos Walkwells Gesicht.
    Der Tiermann sprang wieder in die Höhe, dann wirbelte er herum, jagte mit ungeheurer Flinkheit und Behendigkeit den Hang hinauf und verschwand über die Hügelkuppe. Lucindas Knie wurden mit einem Mal so schwach, dass sie ihr Gewicht nicht mehr tragen konnten. Sie sank neben den abgelegten Stiefeln zu Boden, und das herausgefallene Papier knisterte unter ihr.
    »Er ist ein … Simos ist ein …« Sie blickte fassungslos. »Was ist er?«
    Ragnar lachte. »Er ist einer der Alten, Kind. Ich kenne den richtigen Namen für seine Art nicht, aber für die Graekers standen sie nur knapp unter den Göttern. Die Griechen, meine ich. Manchmal verwechsele ich immer noch die Sprachen, trotz meiner vielen Jahre hier.«
    Lucinda hob einen von Walkwells Stiefeln auf. Der ganze Abend kam ihr wie ein Traum vor, doch sie wusste, dass eskeiner war. »Der Arme, er muss in diesen Dingern gehen. Kein Wunder, dass er so langsam ist. Immer muss er verbergen, was er ist.«
    »Nicht immer.« Ragnar half ihr auf und führte sie über die Lichtung zu dem Steinkreis, in dem das Feuer brannte. Als sie sich hinkniete, um ihre Hände zu wärmen, ging er neben ihr in die Hocke. »Die Nächte gehören ihm – wie diese heute.«
    »Ist er von … kommt Simos von demselben Ort wie die Drachen und die Einhörner?«
    Ragnar schürte mit einem langen Ast das Feuer. Ein paar Funken stoben auf und verloschen. »Ich kenne Simos’ ganze Geschichte nicht, denn er war lange hier, bevor wir übrigen kamen … aber in gewisser Weise kann man das sagen. Er kommt wirklich von demselben Ort wie die Drachen. Wir alle kommen daher. Aber Ort ist nicht das richtige Wort. Es ist schwer zu erklären.«
    »Vielleicht sollte es mal jemand versuchen«, sagte sie, aber ohne Zorn. Den hatte sie vorhin im Wald verloren. »Niemand erzählt mir oder Tyler irgendetwas, bis wir es selbst herausfinden.« Da krampfte sich ihr das Herz zusammen. »Tyler! Er ist nachforschen gegangen – ich muss ihn finden!«
    »Ihm wird nichts geschehen«, sagte der bärtige Mann. »Niemand wird auf die Farm kommen und ihm etwas tun, wenn Simos wacht.«
    Es waren aber nicht von außen kommende Personen, die ihr Sorgen machten, sondern solche, die bereits hier waren – eine jedenfalls. »Sarah und die andern … sie haben gesagt, dass Mrs. Needle eine Hexe ist.«
    Ragnar zog die Stirn kraus und überlegte ein Weilchen, bevor er antwortete. »Es stimmt, dort, wo sie herkommt, wurde sie so genannt. Sie hätte es fast mit dem Leben bezahlt. Aber dein Großonkel vertraut ihr, und sie hat ihm geholfen, daranbesteht gar kein Zweifel. Als das Feuer sein Labor und alle seine Sachen zerstört hatte, dachte ich, er würde sich vor Gram verzehren, aber seitdem hat sie ihm zu neuem Leben verholfen, neuen Zielen.«
    Lucinda schwirrte immer noch der Kopf vor Fragen, doch bevor sie weiterfragen konnte, stutzte Ragnar und ging langsam in die Höhe. Ein Messer, das sie zuvor nicht bemerkt hatte, funkelte plötzlich im Feuerschein in seiner Hand. Im nächsten Moment kam eine unförmige Gestalt den Hang heruntergeschwankt, mal aufrecht, mal auf allen vieren. Lucinda konnte gerade einmal erschrocken nach Luft schnappen, da stand die bizarre Erscheinung schon am Rand der Lichtung und spaltete sich in zwei Hälften, von denen eine zu Boden fiel.
    Walkwell richtete sich auf und stieß mit dem Huf an das Bündel, das er abgeladen hatte. Er wälzte es herum, und das Licht fiel auf ein blasses Gesicht mit einem schlaffen, offenen Mund. Er sah von dem regungslosen Mann zu seinen Füßen auf und zog eine Braue hoch, als er Lucinda erblickte, die hinter Ragnar zurückgewichen war.
    »Was macht das Mädchen hier?« Er klang eher verärgert als verlegen, weil er nackt vor ihr stand, wobei ihn jedoch sein zottiges Fell so gut verhüllte wie eine Hose. Lucinda konnte nicht anders als ihn angaffen. Auch eine Hose hätte die Tatsache nicht verborgen, dass er Hufe statt Füßen hatte, und es war beinahe merkwürdiger, ihn ohne Hut

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