Die Drachen Der Tinkerfarm

diese Leute? Was haben sie vor? Hexen? Monster? Zauberer? Du hattest recht, Tyler, du hattest ja so recht, und es wird nur immer unheimlicher!«
    »Wenn du das unheimlich findest«, entgegnete ihr Bruder, »dann solltest du mal hören, was mir passiert ist.«
    Der Schmerz in Colins Kopf war so schlimm, dass er meinte, sich erbrechen zu müssen. Zusammengekrümmt ging er auf Hände und Knie und legte die Stirn auf die kühle Erde. Die beiden Jenkins-Kinder verstummten.
    Als es halbwegs ging, wälzte Colin sich herum und setzte sich hin, doch selbst bei dieser vorsichtigen Bewegung drehte sich ihm alles, und er stöhnte laut. Auf diese Lebensäußerung hin trat das in Felle gehüllte Mädchen auf ihn zu, knurrte leise wie zur Erwiderung und hob drohend die Hand. Das Gesicht unter der Kapuze war so mit Erde beschmiert, dass Colin wenig mehr erkennen konnte als funkelnde Augen und gefletschte Zähne, aber der große Stein in ihrer schmutzigen Hand machte deutlich, dass sie es gewesen war, die ihm fast den Schädel eingeschlagen hatte. Und wenn diese Ausgeburt der Verwerfungsspalte das noch einmal tun wollte, konnte Colin wenig tun, um sie daran zu hindern. Schützend hielt er sich die zitternden Hände vors Gesicht.
    »Nein! Schlag ihn nicht noch mal!«, rief Lucinda.
    Die angriffsbereite Gestalt hielt inne und legte den Kopf schief wie ein Hund, der gerufen worden war, aber nicht recht wusste, ob das wirklich ihm galt. »Na krut?«, fragte das Mädchen. »Na krut?«
    »Nö, lass mal«, sagte Tyler. »Nicht noch mal kruten.« Erlachte ein wenig, so dass Colin ihm am liebsten gleich wieder eine verpasst hätte. »He, ich spreche Höhlensprache!«
    »Höhlensprache?«, fragte Lucinda.
    »Allerdings. Du kommst nie drauf, wo ich gerade war, Luce. Ich glaube, ich war in der Eiszeit. Es war auch nicht ganz einfach zurückzukommen – ich weiß immer noch nicht genau, wie ich das angestellt habe.«
    Einen Moment lang vergaß Colin seinen vor Schmerzen schier zerspringenden Kopf. Tylers Worte dröhnten ihm in den Ohren wie ein Donnerschlag. In der Eiszeit? Hatte dieser Jenkins das tatsächlich gerade gesagt? Dass er dort gewesen war und nicht nur zufällig dabeigestanden hatte, als diese prähistorische Mörderin aus irgendeiner fernen Vergangenheit angespült worden war?
    »Ja, genau da kommt das Mädchen her«, fuhr Tyler aufgeregt fort. »Sie heißt Letzte, oder wenigstens hat sie mir das erzählt, als sie noch sprechen konnte. Meinst du, sie lernt das wieder? Unserm Hexenmeister junior hat sie’s ja ordentlich gegeben.« Er wandte sich Colin zu. »He, Needle, hast du genug? Wenn du mir dummkommst, mach ich dich alle.«
    »Verschon mich mit deinen hohlen Hiphop-Phrasen«, fuhr Colin ihn an, aber in Wirklichkeit war er zu Tode erschrocken. War das möglich? Konnte Tyler Jenkins sich wirklich ohne jedes Hilfsmittel in der Verwerfungsspalte bewegen? Das würde alles verändern. Selbst wenn Colins großer Coup klappte, den er monatelang geplant hatte, würde Gideon wahrscheinlich trotzdem diesen dämlichen Ignoranten den Vorzug geben. Es war unglaublich ungerecht! Sie mussten verschwinden, sonst verdarben sie alles. »Diesmal bist du zu weit gegangen, Jenkins«, fauchte Colin. »Gideon wird euch beide gleich morgen früh zum Teufel schicken.«
    »Colin, bitte«, sagte Lucinda. »Wenn wir etwas falsch gemacht haben, tut es uns leid. Tyler, was redest du da für ein Zeug? Eiszeit? Wo ist sie wirklich hergekommen?«
    »Das sag ich doch, ich bin in der Eiszeit gewesen … glaube ich. Jedenfalls war alles verschneit, und da war dieser riesige Monsterbär, und sie hat ihn mit einem Speer getötet …« Er schüttelte den Kopf, als könnte er das alles selbst kaum glauben. »Zuerst habe ich mich im Silo umgesehen, und dabei bin ich … irgendwie gefallen. Und irgendwo anders gelandet. Wir haben recht gehabt, Lucinda, genau hier ist diese Verwerfungsspalte, von der Octavio Tinker gesprochen hat. Es ist eine Höhle unter dem Silo, wie ein Loch in der Zeit oder so ähnlich!«
    Colin war entsetzt. Wie hatten sie das alles herausgefunden? Hatte irgendjemand ihnen sämtliche Geheimnisse verraten? »Willst du wirklich behaupten, du wärst in der Verwerfungsspalte gewesen?« Er sprach mit harter Stimme, um Tyler zu verunsichern. »Du wärst in die Vergangenheit gereist … und zurückgekommen? Das ist unmöglich.«
    »Willst du mich einen Lügner nennen?« Der Junge sah aus, als wollte er sich erneut auf Colin stürzen, doch Lucinda hielt