Die Drachen Der Tinkerfarm
bisschen gemein vor – aber nur ein bisschen. »Gut, wenn ihr einverstanden seid, dann sollten wir uns überlegen, wie wir Gideon diese –« Wilde, hatte er sagen wollen, verkniff sich aber das Wort und deutete nur auf das Weibsbild, das ihn niedergeschlagen hatte –, »diese da erklären wollen.«
»Wart mal«, sagte Tyler. »Alles schön und gut, aber Onkel Gideon kann es sich doch gar nicht erlauben, uns wegzuschicken, oder? Wir wissen jetzt über die Farm Bescheid. Wir könnten allen erzählen, was wir gesehen haben.«
Colin lachte. »Er würde euch nicht einfach so gehen lassen. Meine Mutter müsste ihm einen von ihren speziellen Tränken brauen und euer Gedächtnis ein wenig frisieren. Das kann sie gut – funktioniert ungefähr wie Hypnose. Das hat sie in den vergangenen Jahren schon mit zwei amtlichen Inspektoren machen müssen.« Er bemerkte, dass Lucindas Gesichtsausdruck sich vollkommen verändert hatte. Das Mädchen sah ihn an, als ob ihr gerade wieder eingefallen wäre, dass er ein Außerirdischer war, der sie fressen wollte. »Lucinda? Habe ich etwas gesagt, das dir nicht gefällt?«
»N-nein«, sagte sie und schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Colin. Sprich weiter.«
Er hatte keine Ahnung, was sie hatte, aber er konnte sich jetzt nicht damit aufhalten. Er musste nach dieser Katastrophennacht die Situation wieder in den Griff bekommen. Er durfte nicht zulassen, dass irgendetwas seine Pläne störte,bevor er Modesto wieder traf; es durfte ab sofort auf der Farm keine neuen Aufregungen mehr geben, keine lästigen Scherereien.
Beide Jenkins-Kinder sahen ihn an und warteten auf seine Vorschläge. Das Höhlenmädchen, das ihm fast den Schädel eingeschlagen hatte, kauerte ängstlich geduckt neben ihnen. Nur mit seiner geistigen Überlegenheit hatte Colin eine schwierige Lage gemeistert und war wieder obenauf.
Er war sehr stolz auf sich.
22
ERSTE ANTWORTEN
O nkel Gideon hatte wie üblich Bademantel und Pantoffeln an. Ein grauer Mehrtagebart spross auf Kinn und Wangen, und er roch ziemlich muffig, ein wenig wie feuchte Sachen, die mehrere Tage im Bad gehangen hatten. Sein Verstand jedoch war so scharf wie immer: Nachdem Tyler seine Geschichte fertig erzählt hatte (oder wenigstens die von Colin sorgfältig ausgearbeitete Version, in der Tyler ein unschuldiges Opfer der Verwerfungsspalte war statt ein unbefugter Eindringling in das Silo), starrte Gideon ihn eine Weile mit offenem Misstrauen an. Tyler musste sich zusammennehmen, um unter diesem ungläubigen Blick nicht rot zu werden.
Es passte ihm gar nicht, nach Colin Needles Pfeife zu tanzen, aber er war froh, dass er niemandem etwas von OctavioTinkers Tagebuch oder den anderen Sachen beichten musste, die er und Lucinda gesammelt hatten. Und von den argwöhnischen Augen seines Großonkels gemustert musste Tyler zugeben, dass er eines auf gar keinen Fall wollte: Gideon Goldring die Wahrheit sagen.
»So … das sind ja weiß Gott Neuigkeiten«, sagte Gideon schließlich und reckte sich in seinem Sessel. »Die Verwerfungsspalte ist also wieder aktiv: Sie lässt es kurz einmal Eiszeit werden und spuckt diese junge Frau aus? Glück gehabt, Tyler, dass du davon verschont geblieben bist – Glück für uns alle, würde ich sagen. Ich weiß nicht, wie ich es deiner Mutter erklärt hätte, wenn wir dich verloren hätten, statt eine neue Arbeitskraft zu gewinnen.« Die Vorstellung schien ihn irgendwie zu amüsieren, denn er grinste Tyler und Lucinda an. »Aber jetzt kennt ihr beiden unser größtes Geheimnis. Ich solltet euch geehrt fühlen.«
Tyler zitterte immer noch ein bisschen. Geehrt! Ich hätte sterben können! In der ganzen Aufregung war ihm das bis jetzt gar nicht richtig bewusst geworden. Okay, vielleicht war es meine eigene Schuld, aber sie sollten Warnschilder um das Ding aufstellen!
Die meisten Bewohner der Farm hatten sich in der Küche versammelt. Das Höhlenmädchen war bereits in die sanften Klauen von Sarah und den übrigen Küchenfrauen geraten, die sie weggebracht hatten, damit sie baden und sich etwas anziehen konnte, das für den kalifornischen Sommer geeigneter war als ihre schweren, speckigen Tierfelle. Tyler fragte sich, ob sie wirklich auf der Farm mitarbeiten würde – offensichtlich hatte niemand das Mädchen nach seiner Meinung dazu gefragt.
Als spürte er Tylers Gedanken, sagte Gideon: »So, und wie wollen wir unsere Neue nennen?«
»Sie hat schon einen Namen. Sie heißt Letzte.«
»Was ist das für ein Name für
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