Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
sein. Warum dauert das bloß so lange? Herr Hauptmann?«
Arian, der an seinen Reisesack gelehnt dasaß, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Augen geschlossen, seufzte und richtete sich auf.
» Gute Kundschafter lassen sich Zeit«, sagte er, aber in seiner Stimme schwang dieselbe Unruhe mit, die auch Linn verspürte. » Verdammt, warum sind sie noch nicht wieder da?«
Ein paar mutige Bauern aus Quintan hatten den Drachenjägern den Weg zur Höhle gezeigt, aber niemand war bereit gewesen, sie näher heranzuführen. Den Gardisten tat es leid, auf die Annehmlichkeiten einer Übernachtung im Dorf zu verzichten, aber die nächsten Hänge, in denen es eine Höhle geben konnte, waren noch mehrere Stunden zu Pferd entfernt, und der Prinz bestand darauf, wenigstens einen Teil des Weges bis zum Abend zurückzulegen. Hier waren sie immer noch weit genug weg, um ein Feuer riskieren zu können, und die Pferde wussten nichts von der Nähe des Ungeheuers. Deshalb hatte der Prinz entschieden, zwei Männer vorauszuschicken, um herauszufinden, wo genau sich die richtige Stelle befand, und dann am frühen Morgen gleich nach Anbruch der Dämmerung anzugreifen. Die beiden Ritter, die er ausgesandt hatte, waren erfahrene Jäger, die schon so manche Begegnung mit den feuerspeienden Ungeheuern überlebt hatten, und der Befehl war eindeutig gewesen: nur kundschaften und Bericht erstatten.
» Wir sollten das Feuer ausmachen«, sagte Linn leise. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie wusste nicht, ob die anderen ebenso empfanden, aber die Nacht, eben noch erfüllt von Ungeduld und nervöser Anspannung wie vor jeder Schlacht, war auf einmal wie ein schwarzer, undurchschaubarer Vorhang, hinter dem sich irgendetwas verbarg. Ein Knistern lag in der Luft.
Gefahr …
» Wie sollen unsere Männer dann zu uns zurückfinden?«, fragte Hekam. » Sollen sie im Dunkeln umhertappen und sich fragen, wohin wir verschwunden sind? Wir brauchen sie morgen.«
» Still«, befahl der Prinz und hob die Hand. Sie horchten. Ein lauer Sommerwind strich leise rauschend durch die Wipfel der Bäume. Sie zuckten alle zusammen, als in der Ferne eine Eule schrie.
» Macht es aus!«, zischte Arian. » Verdammt, schnell, macht es aus!«
Hastig häuften Gunya und Linn Erde auf die Flammen. Eine Weile schimmerte die Glut noch durch die trockenen Krumen, dann war es stockfinster.
Sie standen da und lauschten. Neben Linn atmete Hekam, im Wald hinter ihnen raschelte es in den Blättern, eine Maus fiepte erschrocken.
Stille.
Sie spürte es wie ein Kribbeln auf der Haut.
» In den Wald!«, schrie sie. » Rasch, weg hier!«
Jeder stolperte für sich durch die Finsternis. Auf einmal war die Nacht taghell erleuchtet, Feuer fiel vom Himmel, und der Drache stieß herab wie ein riesiger schwarzer Raubvogel.
» Komm!« Jemand zerrte an Linns Arm, aber sie rührte sich nicht von der Stelle.
Ich bin dagegen gefeit, dachte sie, aber nicht das ließ sie dem Angreifer standhalten. Sie konnte sich einfach beim besten Willen nicht bewegen.
Versteck dich, damit niemand dich sieht … Doch der Drache hatte sie bereits gefunden und schien bis auf den Grund ihrer Seele zu blicken. Der Moment war nur flüchtig, aber für diesen einen kurzen Augenblick gab es nur sie beide auf der Welt: das Mädchen und den Drachen.
Erneut spie er Feuer, das die Bäume in Brand setzte. Funken sprühten durch die Nacht. Jetzt war er nicht mehr schwarz; die Schuppen, mit denen der gewaltige Leib bedeckt war, schimmerten mondfarben. Wie ein vom Himmel gefallener Stern landete er auf dem Rastplatz, glühend, flammend, funkelnd, richtete sich auf und breitete die mächtigen Schwingen weit aus. Äste zerbarsten. Ein Funkenregen ging auf die Ritter nieder, die sich zwischen den Baumstämmen versteckten, und brachte ihre Helme zum Glänzen.
Er war es. Linn kannte ihn – diesem hellgelben Drachen war sie schon zweimal in ihrem Leben begegnet. Und er kannte sie auch. Der Kopf des Untiers schoss nach vorne, die Hörner streiften Linn, und sie stürzte zur Seite, aber es war, als würde irgendetwas ihn daran hindern, sie zu töten. Gleich darauf zappelte eine Gestalt zwischen seinen Zähnen.
Hekam schrie wie ein Tier, wortlos. Sein ohnmächtiges Geheul erfüllte die Nacht mit Schrecken. Linn lag auf dem Boden und starrte nach oben, wo der Drache sein Opfer hin und her schwenkte. Das war ihr Albtraum. Das waren die Bilder, die sie ihr Leben lang verfolgt hatten: Drachen, die angriffen, die
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