Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
zum Beispiel?«
» Nicht nötig«, versicherte Nival hastig. » Ich gehe ja schon. Es ist nicht nötig, mich mit Zaubersprüchen zu bedrohen.« Seine Tante tat es häufig, aber nie zuvor hatte diese Drohung so einen schalen, bitteren Beigeschmack gehabt wie heute.
Ich bin mit einem Bann belegt … nein, nicht ich. Jikesch. Armer kleiner Narr.
Er schleppte sich die Treppe hinauf. Jeder Schritt tat unglaublich weh, aber er hatte nicht vor, sich zu beschweren, denn ohne seine Tante hätte er diese Nacht nicht überlebt. Moras Zauberei hielt ihn seit Jahren am Leben.
Selbst wenn ich die Verkleidung nicht anlege, werde ich immer wieder Jikesch sein. Das ist meine Natur. Nur ein Lachen, nur eine schlagfertige Antwort, und Chamija hätte mich wieder. Ich kann nicht vor ihr weglaufen. Auch nicht als Nival. Dabei dachte ich, als harmloser Schreiber könnte mir nichts Gefährlicheres zustoßen als Tintenspritzer im Gesicht und Schreibfehler auf dem Papier.
6
Hekam polierte sein Schwert. Hingebungsvoll rieb er es blank, hauchte darauf und brachte auch die letzte Stelle zum Glänzen.
» Habt Ihr keinen Knappen, der das für Euch erledigt?«, fragte Linn.
Zu viert warteten sie auf die Rückkehr der Kundschafter. Gunya hatte die Augen geschlossen, Dorwit wendete das Kaninchen, das über dem Feuer briet und verführerisch duftete, und Arian hatte sich in den Schatten zurückgezogen. Linn hielt sich ebenfalls gerne etwas abseits auf; die Unfreundlichkeit ihrer Gefährten zwang sie meistens dazu. Viel zu oft hatte sie auf ihrer Reise die Sternbilder am klaren Himmel betrachtet, sobald abends das Lager aufgeschlagen wurde. Jetzt, in den letzten Tagen des Lichtmonds, eroberten die großen Sommerbilder die Nacht: der Geier, der zweiköpfige Schwan und die Götterharfe. Linn konnte nicht anders, als immer wieder an Jikeschs Erklärung zu denken: dass die Sterne Funken des Lagerfeuers waren, an dem die Götter hinter ihrem Himmelsvorhang saßen, um ihre Kleider zu trocknen.
Sofort fühlte sie sich an einen anderen Abend versetzt, der tausend Jahre zurückzuliegen schien: Sie und der Narr betrachteten die Sterne, und er versprach ihr tausend Küsse. Zur Strafe musste er sich anhören, wie sie von Yaro schwärmte, und blieb dennoch so nah bei ihr, den Kopf an ihre Schulter gelehnt, und sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut …
Wenn sie es nicht mehr aushielt, war sogar ein Gespräch mit Hekam besser, als diese Erinnerungen zu ertragen.
» Ich fragte, ob Ihr keinen Knappen benötigt?«, wiederholte sie.
» Brauche ich nicht«, knurrte der blonde Hüne. » Ein Mann kümmert sich selbst um seine Waffen. Eine Frau kann das nicht verstehen.«
» Natürlich nicht«, stimmte Linn ihm zu. » Eine Frau würde niemals darauf kommen, irgendetwas zu putzen.«
Hekam stutzte, er schien sich zu fragen, ob das ein Witz sein sollte. » Hm«, machte er schließlich und fuhr damit fort, das Schwert für den Kampf vorzubereiten.
» Warum wollt Ihr eigentlich gegen Drachen kämpfen?«, fragte sie gewollt beiläufig.
» Hä?« Der Krieger blickte überrascht auf. » Warum? Weil diese stinkenden Viecher unser Land verwüsten, darum. Ein Mann hat das im Blut. Das Bedürfnis, seine Heimat zu verteidigen. Haus und Hof. Familie und Kinder.« Er spuckte auf die blitzende Klinge und nickte zufrieden. » Dein Ende, räudiges Ungeheuer. Hay! – Wann können wir denn endlich essen, Dorwit?«
» Wenn die Kundschafter zurückkehren.«
Linn seufzte innerlich. Sie vermisste Okanion. Ohne ihn war die Gesellschaft der königlichen Garde eine Folter, der sie nicht entgehen konnte – allein deshalb wünschte sie sich mittlerweile sehnlichst, endlich zu kämpfen und es hinter sich zu bringen.
» Ein Mann«, fuhr Hekam fort und versuchte, einen Blick auf sich selbst in dem spiegelnden Metall zu erhaschen, » stellt sich unerschrocken vor die Seinen. Außerdem geht es natürlich um die Ehre.«
Gunya, die auf der anderen Seite des Feuers hockte und mit verdrossener Miene Herbwurz kaute, schnaubte verächtlich. » Euer Weib und Eure Kinder wohnen also in Quintan, Ritter Hekam?«
» Wieso?«, fragte er verwirrt.
Linn suchte nach Gunyas Blick. Ein gemeinsames Lächeln, ein Zwinkern – aus solchen Momenten entstanden Freundschaften. Aber die ältere Ritterin starrte nur in die Flammen, als wäre dort der Drache zu sehen, dem sie bald entgegentreten würden.
Dorwit zwirbelte seinen Schnauzbart, stand auf und streckte sich. » Sie müssten längst zurück
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