Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
überstehen.«
Dann ergriff Dodi das Wort. »Gute Reise, Magier. Wir werden uns bestimmt mal wiedersehen«, sagte er mit einem zuversichtlichen Lächeln.
Einige verabschiedeten sich mit Bedauern, andere mit kaum verhohlener Genugtuung: Endlich waren sie diesen Unglücksraben los. Sogar Benares reichte ihm zum Abschied die Hand, wenn auch mit einem eisigen Lächeln.
Aires trat als Letzte auf ihn zu und umarmte ihn lange. Dann löste sie sich von ihm und blickte ihm in die Augen. »Geh nicht«, sagte sie leise. »Bleib einfach bei uns.«
Sennar versuchte es mit einem Lächeln. »Ach, Aires, du weißt doch, ich bin ein anständiger junger Mann. Das Piratenleben wäre nichts für mich.«
Das Getose der Wellen, die sich am Rumpf brachen, ließ ihn erschauern. Er blickte hinunter. Das Beiboot schaukelte über einer schäumenden See. »Ihr könnt mich runterlassen«, sagte er mit kaum vernehmlicher Stimme.
Rool, Aires und Dodi verschwanden hinter der Reling, und Sennar war allein mit dem Ozean. Kaum hatte das Boot die Wasseroberfläche berührt, wurde es von der heftigen Strömung erfasst. So begann die letzte Etappe seiner Reise. Sennars Hände waren eiskalt, und sein Herz schlug so wild, als wolle es seine Brust durchbrechen. Im Traum hatte er einige Male etwas Ähnliches empfunden: Er hatte gespürt, dass er sterben würde, konnte aber absolut nichts zu seiner Rettung tun. Dann war er aufgewacht, lag friedlich in seinem Zimmer und begriff, dass er nichts zu fürchten hatte. Doch nun würde es kein solches Erwachen geben. Er konnte nichts anderes tun, als hier in diesem Kahn zu sitzen und auf sein Ende zu warten. Es war entsetzlich. Er presste die Hände so fest um die leeren Ruderdollen, bis die Fingerknöchel weiß wurden. Was hat das für einen Sinn?
In rasender Fahrt schoss das Boot mit der Strömung dahin. Sennar musste sich links und rechts am Bootsrand festhalten, um nicht ins Wasser zu fallen. Dann hob er den Blick und sah ihn: den Krater.
Er war unvorstellbar, majestätisch, entsetzlich. Und er breitete sich über Meilen aus. Die Strömungen, die er an sich riss, schienen bis zum Horizont zu reichen, ihn gar zu verschlucken. Er war schön, wie nur Schreckliches schön sein kann: ein perfekter Kreis, den unzählige Wellen umtanzten. Zur Mitte hin verdunkelte sich der weiße Schaum bis zu dem bedrohlich schwarzen Schlund, wo das Wasser ins Leere hinabstürzte. Die Reflexe der Sonnenstrahlen auf den Fluten waren blendend hell, und die Wassermassen stürzten so rasend schnell in die Tiefe, dass sie fast reglos wirkten. Nur die Strudel darum herum verrieten ihre Gewalt.
Das Boot begann zu kreiseln, zunächst langsam noch, dann immer schneller. Sennar brüllte aus Leibeskräften, in der Hoffnung, der Todesangst beizukommen, die ihn erfasst hatte, doch das Getöse der Wassermassen übertönte alles. Ich darf nicht den Kopf verlieren*. Er streckte sich flach im Boot aus. Nur wenn ich bei klarem Verstand bleibe, gibt es Hoffnung. So rotierte er eine Weile, die ihm unendlich lange vorkam, in den Strudeln. Dann, nach einer Stunde, einem Jahr oder vielleicht einem ganzen Leben, wurde sein Boot unaufhaltsam in nur noch eine Richtung gezogen. Sennar spürte, wie es sich zu einer Seite überneigte. Er richtete sich etwas auf, um über die Bootskante zu blicken, und sah direkt hinein in den unendlichen Schlund, der sich unter ihm öffnete.
Das war der Moment, in dem er den Schutzwall errichtete. Das Getöse der Wassermassen verstummte, sein Herzschlag verlangsamte sich. Mochte der Krater auch entsetzlich tief sein, er würde die schützende Barriere wohl einige Stunden lang aufrechterhalten können. Mit irrwitziger Geschwindigkeit stürzte das Boot in die Tiefe. Es ist alles in Ordnung. Er fiel weiter. Ich habe alles im Griff. Bald war das Sonnenlicht nur noch ein blasser Schein in der Ferne. Alles um ihn herum färbte sich bläulich. Er befand sich im Bauch des Meeres. Plötzlich spürte Sennar, dass seine Füße nass waren. Er bekam einen Schreck. Wie war das nur möglich? Die Kuppel des Schutzwalls wölbte sich intakt von einer Bootskante zur anderen, doch unter ihm gurgelte das Wasser. Er schaute genauer hin. Ein Leck. Das Boot hatte ein Leck. Sennar blieb gerade noch Zeit, an Benares' Worte zu denken, damals am Strand auf den Vanerien: »Mit dir hab ich noch eine Rechnung offen, Magier.« Dann presste sich das Wasser schon mit Macht durch die Öffnung, das Leck weitete sich, und wie eine Nussschale barst der
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