Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
halten. Zum Glück dauerte ihr Schrei nicht allzu lang.
„Sei still, Weib“, rief Ha’il mit der ihm eigenen Autorität, „sonst wird deine Hoheit den Abend nicht erleben.“ Doch der Angesproche fing an zu lachen. „Stellt euch den Wachen, ihr Tölpel. Dann lasse ich euch gehen. Gleich wird das halbe Schloss wissen, dass wir hier sind. Ihr könnt nicht entkommen.“
Aus Frustration landete erneut Brans Rechte im Gesicht des Statthalters. Die Magd begann auf ei nmal zu zittern, dann bekam sie einen Weinkrampf. An’luin trat zu ihr und legte ihr seine Hände auf die Schultern. Dann sagte er: „Vielleicht sollten wir uns wirklich stellen. Wir können nicht…“
Doch Bran war aufgestanden, Darren an seinem Kragen mit sich ziehend, als würde dazu keine Kraft notwendig sein. Er deutete mit seinem Kopf auf den Kamin im Raum. Dann ging er auf diesen zu, ließ Darren fallen und tastete die Innenseite ab. Draußen im Gang waren Stimmen zu hören. „An’luin, hilf mir! Wir stellen den Tisch vor die Tür“ sagte Ha’il, der zum Tisch eilte und diesen anschob. Darren kicherte. „Ihr werdet es nie schaffen“, doch keiner beachtete ihn. Als die Stimmen näher kamen, rief Darren: „Hier, ich bin…“ Doch ein weiterer Hieb des Riesen streckte den Statthalter zu Boden. Diesmal waren seine Handflächen nicht offen gewesen. An’luin stellte noch einen Stuhl auf den Tisch. Ha’il öffnete das Fenster und riss ein Bettlaken auseinander. An’luin war verblüfft. „Aber ich dachte, hier gäbe es auch einen Geheimgang?“ „Gibt es auch“, bestätigte Bran, der einen Mechanismus gefunden hatte, mit dem sich die hintere Innenseite des Kamins öffnete und einen rußschwarzen Gang offenbarte. „Kleines Ablenkungsmanöver“ kommentierte Ha’il, der eines der Bettlaken an den Fenstersims knotete.
Die Dienstmagd fing erneut an zu kreischen und die ersten Wachen polterten gegen die Tür. Bran schulterte Darren und ging in das dunkle Loch voraus, dahinter kam An’luin, der das verängstigte und wimmernde Mädchen vor sich herschob und nach ihm verschwand Ha’il in der Dunkelheit.
74. Die Hochzeit
s war eine beeindruckende Prozession. Der neue Kirchplatz war von blühenden Kirschbäumen gesäumt. Weiße Blüten bedeckten den Boden und immer neue kamen bei jedem frischen Windzug, der vom Meer hinaufzog, hinzu. Ketill war den Weg vom Landungsdeck zur Stabkirche gegangen, während Sveia vom Hofe Gunnars aus, geleitet von ihrer Familie gekommen war. Obwohl Ketill und die seinen ja auch bei Gunnar zu Gast gewesen waren, sollte so die verschiedene Herkunft der Familien symbolisch dargestellt werden. Die Hjemborn, Gunnars Hauptschiff, war mit Blumenkränzen und bunten Tüchern geschmückt geworden, aber das war erst der Anfang. Der ganze Weg, den Ketill vor einiger Zeit mit seinem Vater und Eirik in Begleitung von Aswin zurückgelegt hatte, war gesäumt mit jubelnden Birkesundern von solcher Zahl, dass Ketill das Gefühl hatte, das ganze Land müsste in der Hauptstadt sein. Die Mädchen waren zumeist in Weiß gekleidet und trugen Margeritenkränze auf ihren Häuptern, die Männer trugen alle festliche Umhänge und sie spiegelten die feierliche Formalität einer solchen Feier wieder, während die Frauen eher zu Tränen gerührt schienen. Von überall kamen immer wieder die Rufe: „Heia, Sveia“ und „Heia, Ketill“, was Ketill in Erstaunen versetzte, da er vor nicht allzu langer Zeit fast vom Sohn des Königs elendig getötet worden war. Nun wurde er gefeiert. Im Gegensatz zu seinem Vater konnte er aber auch nichts Falsches an den Birkesundern finden. Immerhin waren die Vorfahren der Drakinger und Wolfinger ja Brüder gewesen, warum sollte man sich da also auch bekriegen?
Als er nun an der Seite von Stikle vor der riesigen Kirche stand, die in dunklem Eschenholz mit Tierköpfen und Mustern verziert war und deren Giebelenden jeweils Drachenköpfe darstellten, fragte er sich, ob Sveia ihn nun wirklich heiraten wollte, oder nicht. Als sie sich heimlich getroffen und geredet hatten, da war es ihm so vorgekommen, als ob die Tochter Gunnars in ihm eine fremde Attraktion sah, deren Faszination eher von der Andersartigkeit, als von Zuneigung rührte. Sie hatte ihn geküsst und sie hatten sich berührt und als Ketill mehr wollte, hatte sie sich lachend abgewandt mit dem Hinweis, dass sie noch genügend Zeit für so etwas hätten. Doch Ketill war sich nicht sicher, ob sie sich von einem Mann, zu dem sie sich hingezogen
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