Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Ersen Mal Kallin verlassen hatte, ging sie wieder häufiger in die Sonnenmesse. Ein junger Priester aus dem Süden war gekommen, der zwar nicht die Klarheit und Erfahrung von Balain aufweisen, aber durchaus aufbauende Worte finden konnte. Mit Abscheu dachte sie an Ersen zurück, der sie dazu nötigen wollte ihre Tätowierung in einem Feuerritual zu entfernen.
Sie fasste sich automatisch an den Hals. Die Stelle, wo ihr von den Scicth gefertigtes Zeichen zu sehen war, hatte sie seit einiger Zeit immer mit einem Halstuch überdeckt. Irgendwann hatte Ersen es öffentlich als „Mal der Sünde“ bezeichnet und sie hatte keine Lust von ihren Untertanen mit sel tsamenen Blicken bedacht zu werden.
Stattdessen hatte sie einen Beschwerdebrief nach Athin’stan geschrieben und um einen neuen Prie ster während der Abwesenheit von Pater Balain gebeten. Als Ersen nicht aufhörte sie öffentlich zu diffamieren, war er eines Nachts von einigen ihrer Anhänger brutal zusammengeschlagen worden. Cathyll vermutete Bran hinter dieser Aktion, dem sie darüber geklagt hatte, wie der Pater ihr gedroht hatte. Am nächsten Tag hatte man ihn nicht mehr gesehen.
Sie dachte an den Abend zurück, als sie die Tätowierung aus den Händen der Scicth erhalten hatte. Sie hatte damals ein Bündnis mit den wilden Stämmen aus dem Norden gebraucht und sich dem Ritual hingegeben.
Arla berührte dieselbe Stelle, die Cathyll vorher intuitiv angefasst hatte, und schob den Seidenschal ein Stück hinab.
„Ihr solltet Euch dessen nicht schämen, Königin. Im Gegenteil, es kleidet Euch.“
„So denkt Ihr, Königin Arla. Was meine Untertanen angeht, bin ich mir da nicht so sicher.“
„Sie werden sich d aran gewöhnen.“
Als Arla gegangen war und zwei Gläser Whay getrunken waren und Cathyll innerlich alle Aufgaben abgehakt hatte, die sie noch zu erledigen hatte, stand sie auf, um zu Bett zu gehen.
Plötzlich hielt sie inne. Ein lautes Stöhnen war zu hören, so nah, als stünde jemand direkt neben ihr. Sie wirbelte herum und drehte sich hektisch im Kreis. Dies war nicht das erste Mal, dass sie dieses Stöhnen hörte. Schon ein paar Male, erst leise, dann immer lauter und näher, hatte sie diesen furchtbaren, klagenden Ton vernommen. Und nun, da sie zitternd am Bücherregal gelehnt stand und ihr Herz wie wild schlug, glaubte sie die Stimme, die diesen unmenschlichen Laut produziert hatte, erkannt zu haben: Es war die Stimme ihres alten Raethgir – Rabec.
12. Wärmendes und Herzerfrischendes
is auf den muffeligen Eyvind schienen alle bester Stimmung zu sein. Und eines musste man dem Mädchen ja lassen: Linja konnte sich praktisch unsichtbar machen, wenn sie wollte, beziehungsweise, wenn sie den Befehl dazu bekam. Ketill hatte ihr noch einmal deutlich eingebläut, dass sie sich kurz vorstellen und dann sagen sollte, dass sie die Gruppe nur ein Teilstück begleiten werde, bis sie zu ihren Verwandten nach Nyrköping geleitet worden sei.
Genauso hatte sie es getan, als sie mit einem immer noch durchfrorenen Eirik am Tostihof ang ekommen waren. Tosti, der Ältere, hatte sie herzlich begrüßt und zusammen mit seinen drei Söhnen und vier Töchtern willkommen geheißen. Zwei seiner Töchter, er hatte ihre Namen dank des guten Mets schon wieder vergessen, saßen nun neben ihm und gaben ihm ein zusätzlich warmes Gefühl. Sie schienen seine Scherze zu mögen und hingen an seinen Erzählungen mit offenen Mündern. Linja dagegen hielt sich im Hintergrund und war eigentlich kaum wahrnehmbar, was Ketill sehr zu schätzen wusste. Eirik saß direkt an der Feuerstelle und streckte seine Füße dem Feuer entgegen. Die Gastgeber hatten einen fetten Braten aufgetischt – eine Ziege war extra geschlachtet worden, zu Ehren des zukünftigen Königs. Draußen schneite es noch immer und Ketill fragte sich, ob sie hier nicht noch eine weitere Nacht verbringen sollten, auch angesichts der Tatsache, dass es hier nicht nur eine Tochter gab.
„Und ihr seid tatsächlich nicht durch den Junnwald gegangen und doch schon nach drei Tagen vom Hrafnhof hier?“ Tosti, der Ältere, war zwar ein eher einfacher Bauer, wie Ketill befand, aber doch sehr neugierig, was ihre bisherige Reise anging.
„Äh, ja. Also, es kann auch sein, dass wir vor vier Tagen erst losgegangen sind, was Eyvind?“ Der Skalde blickte auf und starrte mit missmutigem Gesicht auf Ketill. Dann brummte er kurz.
„Das ist seltsam“, fuhr Tosti fort, „normalerweise braucht man, wenn man den Wald
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