Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
auf seine Feinde stürzen, vielleicht war Linja verschwunden, um Hilfe zu holen, weil sie die Gefahr gespürt hatte, sie war ja schon den ganzen Tag so seltsam gewesen. Aber vielleicht lag das auch daran, dass sie mit dem Würmlinger unter einer Decke gesteckt hatte? Noch bevor der Schrecken dieser Überlegung sich tiefer in Ketills Gedanken bohren konnte, sah er die Axt genau auf sich zufliegen. Er konnte sich nicht viel bewegen in den Fesseln, doch es gelang ihm, seinen Körper leicht seitlich zu drehen, so dass das Geschoss ihn nur leicht mit der dumpfen Seite streifte. Die Männer vor ihm johlten.
In diesem Moment erkannte Ketill, dass sein Leben hier und heute enden würde. Weder träumte er, noch würde er gere ttet werden. Er würde elend sterben – weil er einen großen Fehler gemacht hatte. Nicht nur einen Fehler, viele Fehler. Er hätte in Mal Kallin bleiben können und sich mit seiner Rolle als Flüchtling abfinden können. Er hätte um die Liebe Cathylls kämpfen können, anstatt einem fernen Traum hinterherzulaufen. Er hätte auf Eyvind hören können, auf den alten Kämpfer, der so viele Lobesgesänge auf ihn angestimmt hatte und der doch so bitterlich von seinem König enttäuscht worden war. Ketill schossen Tränen in die Augen. Ein weiteres Beil traf seinen Oberschenkel und der beißende Schmerz mischte sich mit dem Wissen, dass er das Geschenk des Lebens mit den Füßen getreten hatte, um Ruhm und Anerkennung zu erlangen – was für ein sinnloses Unterfangen.
Ketill schloss die Augen und er erwartete den Aufschlag der nächsten Axt, die tiefe Wunden in se inen Körper schlagen würde.
54. Ein wärmendes Feuer
r hatte schon schlechtere Zeiten erlebt, das ganz sicher. Wer mitbekommt, wie das eigene Dorf überfallen wird und alle darin Wohnenden getötet werden, beschwert sich nicht über Regen. Und doch schien jeder einzelne Tropfen, der auf sein Gesicht klatschte, ihn zu verhöhnen. Er versuchte sich mit Gedanken an die Zeit auf der Wolfsang abzulenken. Damals hatte er noch daran geglaubt, dass er, wenn er Fölsir zurückgewinnen könnte, seine Rache befriedigen könne. Er hatte mit Steinn an Deck gesessen, die Gischt war ihnen ins Gesicht gespritzt und er träumte von Reichtum und Macht. War es eine bessere Zeit gewesen? Schließlich wusste er nicht einmal mehr wovon er träumte. Er wusste nicht, ob er wirklich nach Sin’dha zurückkehren sollte, zu dem verrückten Druiden. Dieser hatte ihm eingebläut, dass er das tun solle, was er entschieden hatte zu tun, nicht, was er tun wolle .
Er blickte sich um und sah Daaria neben dem Pferd laufen, darauf achtend, dass sie in kei ne Pfützen trat. Sie war attraktiv und er hatte Phantasien wie er sie küssen würde, doch war er sich unsicher, denn von ihr kamen keinerlei Signale. Sie lächelte ihn an und er schaute nach vorne.
Sie waren auf einem Gebirgspass und mittlerweile war es nicht nur nass, sondern auch kalt. Die Decken, in denen sie gestern auf dem Waldboden geschlafen hatten, waren vollkommen durchnässt und würden auf dem Rücken des Pferdes nicht trocknen.
Als sie weitergingen, öffnete sich die dichte Bewaldung und Nod sah, dass zu ihrer Rechten ein Abhang in die Tiefe führte. Man konnte auf die gegenüberliegenden Berge schauen, die ihre mass iven Körper in die Höhe streckten, welche jedoch von Wolken und Nebel bedeckt wurden. Vor ihnen schien der Weg immer weiter anzusteigen. Nod blieb stehen. „Hört es denn nie auf...“, brummte er vor sich hin.
Daaria stand neben ihm und blickte hinab in die tiefe Schlucht.
„Es kann lange dauern, bis hier etwas kommt“, sagte sie.
„Ich frage mich, wer den Weg hier geebnet hat, wenn er ins Nirgendwo führt.“
Daaria klärte Nod auf: „Es sind noch alte Wege von den Cu Ca’el, die seit Jahrtausenden in diesen Bergen gelebt haben. Die Wege wurden nicht gebaut, sondern sind über die Jahre durch die viele Benutzung entstanden.“
„Benutzung? Wir haben noch keine einzige lebende Seele hier gesehen.“
„Die Cu Ca’el haben hier in großer Zahl gelebt. Es heißt, dass dies ein warmes Land war, das sehr stark bevölkert war.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Er schob Daaria eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. „Hier soll es einmal warm gewesen sein?“
Sie lachte. „So hat es mir mein Vater erzählt.“
„Vielleicht müssen wir weiter hinaufsteigen und dann wird es wärmer.“ Wieder lachte sie.
Sie gingen weiter und höher und Nod hatte nicht das Gefühl,
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