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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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Atem und dachte einige Sekunden lang ernsthaft darüber nach, wie ich ihn töten sollte. Nicht ob, sondern wie! “
    Taiki flüsterte fast, als er diesen Satz sprach. Und dann brach er in Tränen aus.
    „Josayah, ich schäme mich so entsetzlich! Ich bin der Heilergabe nicht wert. Und das war nicht das Einzige. Ich habe Martok damals verflucht, und er musste deswegen sterben. Ohne zu wissen was ich tat, habe ich die Giftschlange zu ihm geführt. Der Wahrheitsfinder aus den Bergen sagte, wenn ich ein zweites Mal töten würde, käme ich vom rechten Wege ab, und beim dritten Mal wäre ich für immer verloren!“
    Josayah fragte ernst: „Hast du ihn denn getötet?“
    „Nein. Den Göttern sei Dank, ich tat es nicht. Sein kleiner Sohn hat mich davon abgehalten. Wäre er nicht gewesen… ich weiß nicht, was geschehen wäre. Und genau das macht mir solche Angst!“ Taiki fühlte Josayahs tastende Hand tröstend auf seiner Schulter. Er drückte sie dankbar.
    „Und dann sind da noch diese Träume. Es ist wieder so kalt im Wald.“
    „Im Wald?“
    „Ja. Seit meiner Kindheit gehe ich manchmal nachts in diesen Wald. Es ist wie ein Traum, aber doch anders. Wirklicher.“
    „Taiki. Morgen gehst du runter zur Siedlung und holst jemanden nach oben zu uns. Wir werden einen Wächter brauchen.“
    „Warum? Hast du jetzt Angst vor mir?“

„Blödmann. Natürlich nicht. Morgen werde ich für dich der Blinde Seher sein. Morgen verschmelzen wir unseren Geist.“
     
    Die kleine Tinka lief den abschüssigen Waldweg runter auf Aidan zu. Er breitete lachend seine Arme aus und fing den Wildfang auf, drehte sich mit ihr einige Male im Kreis und setzte das vor Vergnügen kreischende Kind wieder ab.
    „Du sollst doch nicht alleine in den Wald gehen!“
    „Bobo tommt. Bald is´ Fest.“
    „Ja, du kleine Wildkatze. Bald ist Erntefest und dann kommt dein Bruder zu Besuch. Freust du dich?“
    Aidan betrachtete das Mädchen, das trotz seiner neun Jahre wie ein Fünfjähriges wirkte. Ihr Kopf war auffällig klein, sie hatte eine kurze, flache Stupsnase, ein fliehendes Kinn, kleine Zähne und tief ansetzende Ohren. Ihre Hände wiesen seltsame Furchen auf und sie sprach sehr schlecht. Seine Intuition als Messerheiler verriet ihm, dass auch ihr Herz leicht geschädigt sein musste. Vor drei Jahren hatte ein Flößer sie in die Sonnenbühlsiedlung gebracht. Ihr Bruder. Aidan erinnerte sich an ihn als einen auffällig schweigsamen Hünen, der gutmütig, aber langsam im Denken und Sprechen war. Die Mutter war gestorben, hatte sich beharrlich über die Jahre hinweg zu Tode getrunken. Der Vater dieser Familie war eines Morgens gegangen und nie wiedergekommen. Tinkas Bruder konnte seine kleine Schwester nicht ausreichend versorgen. Die anderen Geschwister der zerrütteten Familie waren längst in alle Winde zerstreut. Aber er kam verlässlich zwei Mal im Jahr zu Besuch: am Tag des Frühlingserwachens und im Herbst zum Erntedankfest.
    „So, und nun lauf und hol dir dein Frühstück!“
    Der Ordensbruder sog begeistert die frische, kalte Morgenluft ein. Sie roch würzig nach Wald und leichtem Moder. Er liebte diese Zeit des Jahres. Der Herbst nahte unverkennbar mit großen, laubraschelnden Schritten. Bald kam auch die rechte Zeit zum Schlachten der Schweine. Im Geiste ging er die Dörfer und Ortschaften durch, die der Sonnenbühlgemeinschaft jährlich Schinken und Räucherwurst spendeten, als er den Weg zur Pferdekoppel einschlug, wo die drei Pferde der Gemeinschaft grasten. Ein Ackergaul zum Pflügen, eine rotbraune Stute und sein Ein und Alles: Wolke. Sein Hengst, ein alter Apfelschimmel, war das zweite lebende Wesen, welches ihn mit seiner Vergangenheit als Neusalzhausener Messerheiler verband. Das „andere lebende Wesen“ kam ihm zu seiner Verwunderung von der Anhöhe herunter entgegengelaufen.
    „Guten Morgen, mein Junge. Was führt dich denn hier her? Ist was mit Josayah?“
    „Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, Vater. Jo hat mich hergeschickt. Er möchte heute einen Wächter am Tempel haben.“
    Innerlich frohlockte Aidan. Dann hatte Taiki also zugestimmt, sich helfen zu lassen. Er hatte geahnt, dass es ein guter Schachzug von Jo und Frido gewesen war, eine Erkrankung des persönlichen Helfers vorzutäuschen. „Gut! Ich selbst werde über euch wachen. Du kannst wieder zum Tempel hochlaufen. Ich will nur noch mein Pferd mit Salbe versorgen, Wolke lahmt etwas. Ach ja, und mache einen Umweg über die Küche. Marla hat Pfannkuchen

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