Die Drachenperle (German Edition)
Vogelfreien belastete seinen neuen Freund, da war noch viel mehr. Heimatlosigkeit, ein Gefühl der Verlassenheit, Schmerz über Zurückweisungen, sogar ein Minderwertigkeitsgefühl. Dann geschah etwas Unerwartetes! Taiki blieb nicht passiv, wie alle anderen, bei denen er eine Seelenschau vorgenommen hatte, nein, er kam ihm aktiv im Geiste entgegen!
Unerwartet öffnete sich eine Art Tor, es entstand ein Sog, dem sich Josayah nicht widersetzen konnte. Blitzartig flog er durch ein tunnelartiges, opalisierendes Gebilde und fand sich gleich danach aufrecht stehend in einem Wald wieder, neben einem riesigen, uralten Baum! Er war gleichermaßen schockiert wie begeistert. Denn er sah hier wie mit Körperaugen! Und er stand aufrecht, ohne Hilfe, ohne Schmerzen! Ungläubig schaute er auf seine Beine runter und bewegte sie hin und her. Hinter ihm raschelte es. Rasch drehte er sich um und sah Taiki.
„Was passiert mit uns? Wo sind wir?“
„Ich bin mir nicht sicher, was geschehen ist, aber ich erkenne den Ort wieder. Ich kann deutlich fühlen, dass ich schon früher hier war. Aber wie wir hierhergekommen sind? Hm… ich weiß nur, dass ich geistig meine Fühler nach dir ausgestreckt habe, als du die Seelenschau begonnen hattest. Und ich hatte den Wunsch, dir gegenüber ganz offen zu sein. Ich dachte an die vielen Träume, die mich nachts nicht schlafen lassen. Und im nächsten Moment war ich hier und sah dich vor mir stehen.“
„Stehen! Wahrhaftig! Sieh doch nur, ich stehe aus eigenem Vermögen und meine Augen sind nicht mehr blind. Ich sehe dich, wie ich früher zu sehen vermochte. Es ist herrlich, den Baum dort zu sehen! Es ist wundervoll, dieses gefrorene Laub hier zu sehen! Und all die anderen Bäume. Aber es ist kalt hier, sehr kalt.“
Taiki sah sich fröstelnd um. Der Baumriese kam ihm vertraut vor. Wenn er sich doch nur erinnern könnte. Das Wissen um diesen Ort lag dicht unter der Oberfläche, er spürte es deutlich. Seine Träume hatten damit zu tun. Er hatte das Gefühl, nach einem runden, schimmernden Gegenstand suchen zu müssen. Zögerlich ging er um den Baum herum, seinen Blick auf den Boden gerichtet. Da, unter den mächtigen Wurzeln war eine kleine Höhle. Hörte er nicht ein leises Grunzen? Taiki kniete nieder und lugte in die Dunkelheit. Oh!
„Josayah, ich habe was gefunden. Genauer gesagt, wen gefunden!“
Jo ging um den Baum herum, ihm bot sich ein denkwürdiger Anblick: eine Art Hund schleckte Taiki begeistert das Gesicht ab und wackelte vor Freude mit dem ganzen Körper.
„Was ist das denn für ein Geschöpf? Entenfüße, dicker Bauch und das Gesicht eines Esels? Und sieh nur, da sind Stummelflügel auf seinem Rücken , “ lachte Josayah.
„Darf ich vorstellen? Das ist mein Freund, das ist, sein Name ist…“ Taiki dachte angestrengt nach, es lag ihm auf der Zunge. Spuck es aus, Junge, spuck es aus… das ist… MELLON! „Ja! Sein Name ist Mellon. Jo, jetzt erinnere ich mich. Er war bei mir, als ich nach dem verschollenen Tempel suchte, er ist mein Freund und Reisebegleiter gewesen. Er hat mich geführt, nachdem der Drache mich wieder an die Oberfläche zurückgeschickt hatte. Ja, genau! Die Perle der Weisheit hielt ich in der Hand, ich fiel in einen Schlaf und am nächsten Morgen war er bei mir. Mellon, mein Lieber, ohne dich hätte ich den Tempel wohl nie gefunden!“
„Was für einen Tempel? Welche Bedeutung hatte er für dich?“
„Für mich? Oh, eher für die Taikianer. Lass mich nachdenken.“
Er kraulte Mellon hinter den langen Ohren, was dieser entzückt quiekend genoss. Josayah hockte sich neben die beiden und streckte seine Hand vorsichtig zu Mellon aus. So weich, das Fell, so weich. Aber blau! Welches Tier hatte ein blaues Fell und gelbe Füße? Andererseits – das alles hier war nicht real, auch wenn es sich so anfühlte. Josayah war sich darüber im Klaren, dass es eine Scheinwelt war, die nur in Taikis Geist existierte. Dennoch, Schein und Sein lagen hier ganz dicht beieinander. Zu dicht!
Taiki nickte. „Ja, jetzt erinnere ich mich. Das hier ist meine Welt. Meine Zuflucht, erschaffen in Kindertagen. Erst waren es Tagträume, die sich immer mehr verdichteten, je öfter ich hierher flüchtete. Es war manchmal grausam, ein Sklave zu sein. Nachts schickte ich meinen Geist aus, um hier in Frieden und Freiheit spielen zu können. Issyrle! Sie war mein Trost, meine Spielkameradin, meine ganze Freude. Dieser Wald ist
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