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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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mich mit einigen Brüdern zurück in meine Heimat. Das Ergebnis kennst du ja. Wir leben hier mit den Kranken und Siechen, nicht für sie, sondern mit ihnen. Auch sie sollen immer das Nötigste haben, auch selbstbestimmt und frei leben. Unter unserem Schutz.“
    „Was wolltest du eigentlich so nahe am Wolfswald, an dem Tag als du mir begegnet bist?“
    „Die Vogelfreien besuchen. Einer von uns Brüdern geht jeden Monat einmal dorthin und versorgt ihre Wunden, bringt Medizin und wenn möglich, auch etwas Nahrung.“
    „ Was macht ihr ? Ihr helft diesen widerwärtigen Verbrechern?“ schnaubte Taiki empört.
    „Das sind Menschen in Not, mein Sohn! Sie sind heimatlos. Genau wie du es gewesen bist. Nicht alle von ihnen rauben Reisende aus.“
    „Nein, nicht wie ich ! Ich habe nie einer Menschenseele was getan! Die haben uns überfallen, geschlagen, sie wollten uns töten! Sie hätten es fast geschafft, Kiri in den Wald zu entführen. Diese Ungeheuer hätten ihr weiß Gott was angetan!“
    Taiki schrie fast, er fuchtelte mit den Armen und Zornesröte zog über sein Gesicht. Da fiel ihm ein, was er mit dem Vogelfreien gemacht hatte. Wenn das Kind nicht gewesen wäre… Er sackte in sich zusammen und schwieg tief beschämt.
    „Ich will jetzt gehen. Bin müde.“
    Aidan schaute ihn verwirrt an. Hörte dann, wie die Tür zufiel und Taikis Schritte immer leiser wurden und dann verhallten. Was hatte er denn falsches gesagt?
     
    Zischend entwich ihm die Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen. „Nein, Taiki, nicht so schnell. Du tust mir weh.“
    Zerknirscht entschuldigte sich Taiki bei Josayah. „Tut mir leid, das wollte ich wirklich nicht. So besser?“
    „Ja, langsam ist besser. Meine Muskeln sind sehr verkrampft. Führe mich jetzt bitte ins Tempelinnere, ich muss mich wieder hinlegen.“
    Taiki stützte den Blinden Seher, der sein linkes Bein stark hinter sich herzog. Seit gestern Vormittag war es seine Aufgabe, diesen Mann mit allem zu versorgen und ihn zu unterstützen bei allem, was er zu tun wünschte. Frido, sein eigentlicher Helfer, war plötzlich erkrankt und war von den Ordensbrüdern von seinen Pflichten entbunden worden. Taiki hatte seinen Platz einnehmen müssen. Ihm war es ganz recht so, er wollte seinem Vater fernbleiben, bis er mit sich selbst im Reinen war. Sein Vater… wie unvertraut dieses Wort doch ist, dachte Taiki. Aidan ist mein Vater. Mein Vater. Taiki horchte dem Klang dieser Wörter nach und fühlte in seinem Herzen eine leise Freude, aber auch Unsicherheit. Er hatte sich so sehr eine echte Familie gewünscht, aber er hatte durch Mareika erkennen müssen, dass Verwandte nicht immer den Vorstellungen entsprachen, die man sich gemacht hatte. Aber Aidan war anders. Oder?
    Als die zwölf Stufen zum Tempelinneren bewältigt waren, atmete Josayah erleichtert auf. Obwohl das Gebäude recht verfallen war, gab es noch einige Kammern, deren Decken und Wände intakt waren. Eine Kammer war als Wohn- und Schlafraum für zwei Personen hergerichtet worden, eine diente als Vorratskammer und in der dritten lagerten Flechtmaterial, Werkzeuge und fertige Körbe. Mit einem zufriedenen leisen Grunzen ließ Josayah sich auf sein Lager zurücksinken. Taiki räumte noch ein wenig auf und setzte sich dann bequem auf seine Schlafstelle, die dicht an der anderen stand, den Rücken entspannt an die Wand lehnend. „Sag mal, Jo, wie alt ist dieser Tempel eigentlich und wer hat ihn errichtet?“
    „Oh, ich habe keine Ahnung. Er war irgendwie schon immer da. Wir haben hier als Kinder manchmal gespielt, meine Brüder und ich. Die ganz Alten aus den umliegenden Dörfern erzählen sich Geschichten über den Tempel, aber ich habe nie richtig zugehört.“
    „Darf ich dich was fragen?“
    „Nur zu.“
    „Bist du schon blind geboren? Und was hat es mit deiner Gabe auf sich, war sie schon immer da? Du sagtest, sie hätte dich fast in den Wahnsinn getrieben. Wie?“
    Josayah hörte die Anspannung in Taikis Stimme. Es schien ihm, als hätte Taiki Angst vor seiner eigenen Gabe. „Das war so: Geboren wurde ich als ganz normaler Junge, nichts deutete darauf hin, dass mit mir etwas nicht stimmt. Als 15jähriger hatte ich einen Unfall. Ich fiel in einen tiefen Felsspalt in den Bergen, als ich auf der Jagd war. Drei Tage haben sie nach mir gesucht. Wie lange ich bewusstlos gewesen war, weiß ich nicht. Mein Kopf schmerzte höllisch, und erst mein Rücken! Ich war schwer verletzt, blutete, war durstig und hatte eine Todesangst.

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