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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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für alle gebacken. Nimm doch welche für euch mit hoch.“
    Aidan bemerkte, dass Taiki dem Hengst, der am Rand der Lichtung graste, einen sehnsüchtigen Blick zuwarf. Vielleicht sollte er ihm anbieten, das Reiten zu lernen, es täte dem Jungen bestimmt gut. Aurelia war eine passionierte Reiterin gewesen. Sie würde es gutheißen. Ja, eine gute Idee!
     
    Während Jo und Taiki auf Aidan warteten, flochten sie weiter an den Weidenkörben, die auf dem Markt in Gerhardsbruck verkauft werden sollten. Nebenbei vertilgten sie mit gutem Appetit Marlas Pfannkuchen, die mit einer Honignusspaste gefüllt waren.
    „Du, sag mal. Wie war das mit dir und Aidan, als er dich hier oben fand?“
    Jo schwieg eine Weile, während seine Finger geschickt und kraftvoll die Weidenruten verarbeiteten. „Es ist nicht leicht für mich, in die Vergangenheit einzutauchen. Die Schwelle zur alten Angst ist dünn. Ich kann dir aber so viel sagen, dass er nicht nur für meine körperlichen Belange sorgte. Aidan hatte ein Gespür, auch eine gute Beobachtungsgabe. Irgendwie ahnte er in etwa, was in mir vorging. Er nahm sich die Zeit, in meiner Nähe zu meditieren. Von ihm ging eine große, sanfte und beschützende Ruhe aus. Er badete förmlich in Ruhe, wurde selber Ruhe. Und das hat sich auf mich übertragen. Ganz langsam lernte ich, diesen Zustand in mir selber herzustellen. Ich lernte mich abzuschotten. Und dann wurde ich erneut ein vernunftbegabtes Wesen. Mittlerweile kann ich auch wieder unter Menschen leben, auch wenn es etwas anstrengend ist. Im Winter muss ich das ja auch tun. Der alte Tempel kann nicht ausreichend beheizt werden. Aber vom Frühling an bis zum späten Herbst lebe ich hier, abgesondert. Das ist leichter für mich. Immer ist einer aus Sonnenbühlheim bei mir. Wegen meiner Beinlahmheit. Ich bin einfach auf Hilfe angewiesen. Meistens ist Frido hier. Und jetzt du. Was dich und deine Geschichte angeht, habe ich noch so manche Frage, aber das wird warten müssen. Unser Wächter kommt.“
    Taiki blickte auf, sah aber niemanden auf dem Weg, der zum Tempel hoch führte.
    „Da ist aber niemand.“
    „Doch, ich höre ihn kommen.“
    Taiki lauschte angestrengt, nahm aber außer einem leise rauschenden Wind und einigen lebhaften Vögeln nichts wahr. Dann sah er Aidan unten auf dem Weg von der Koppel, in Richtung Anhöhe gehend.
    „ Das kannst du hören? Nicht zu fassen.“
    Jo lächelte still in sich hinein und flocht unentwegt weiter, bis Aidan vor ihnen stand.
    „Da bin ich, mein Sohn. Es kann losgehen.“
    „Ja, Vater. Danke, dass du dabei sein wirst. Mir ist durchaus etwas seltsam zumute. Aber ich vertraue euch.“
    „Vater? Ist das dein Ernst? Aidan ist dein Vater?“
    „Ja , “ antworteten beide unisono.
    „Das verstehe, wer kann. Also wirklich. Eine Überraschung jagt die nächste! Habt ihr noch mehr Geheimnisse?“
    Vater und Sohn zuckten in derselben Sekunde mit den Schultern und setzten eine schelmische Miene auf. Hätte Josayah mit den Augen seines Körpers sehen können, so hätte er die große Ähnlichkeit zwischen ihnen beim besten Willen nicht übersehen können. Aidan, der stark genug war, Josayah zu tragen, half ihm vorsichtig auf, legte ihn sich ohne Vorwarnung über die Schulter und ging mit seiner protestierenden Last trittsicher die zwölf Stufen zur Tempelruine hinauf. Taiki warf seinen Weidenkorb auf die Wiese und rannte lachend hinterher. Wenig später saß er auf einer groben Wolldecke. Er nahm eine entspannte Sitzhaltung ein, der Blinde Seher hingegen lag ausgestreckt neben ihm, auf mehreren Schaffellen gebettet. Aidan hatte ihm eine zweite Decke zusammengerollt unter die Knie gelegt, damit er es bequem hatte. Er zog sich dann etwas zurück, behielt aber die jungen Männer und die Umgebung gleichermaßen im Auge.
    „Taiki, ich beginne jetzt mit der Seelenschau. Lasse es einfach zu. Wahrscheinlich wirst du mich in deinem Inneren spüren können. Wenn ich fertig bin, werden wir mehr darüber wissen, was dich quält, was dir fehlt…“
    Farben… Josayah nahm als Erstes die Farben wahr , die Taiki ausstrahlte. Grün, Rosa, ein schimmerndes Gold. Spuren von Sonnenuntergangs-Rot. Der graue Schleier war diesmal deutlich blasser, schwächer. Als er ein sicheres Gefühl für Taikis Schwingung hatte, konzentrierte er sich auf dessen Gedankenwelt, drang behutsam in winzigen Schritten in sein Bewusstsein ein. Deutlich fühlte er dessen Anspannung und seine inneren Konflikte. Nicht nur die Episode mit dem

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