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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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Bartholo gemeinsam verraten und verlassen hatte, oder ob sie gegen ihren Willen verschwunden war. Immerhin hatte sie sein Hab und Gut auf dem Weg für ihn zurückgelassen. Nun ja. Er konnte nicht wissen, ob sie das Bündel aus Fürsorge oder gar Liebe aus dem Wagen geworfen hatte. Möglicherweise war es einfach nur runtergefallen während der Flucht. Er stieß einen tiefen Seufzer aus und beschloss, sie ein für alle Mal zu vergessen. Die Wasserflaschen waren nun voll, er setzte den Stopfen auf und ging zurück zum Lager. Wolke, der Apfelschimmel und die rotbraune Stute namens Rehauge trugen lose Fußfesseln und grasten friedlich in der Nähe ihrer Menschen. Aidan hatte einige späte Brombeeren gepflückt.
        „Weißt du, Junge, das war ganz enorm, was du beim Holzfäller geleistet hast. Ohne dich hätte ich nie die Wunden derart gründlich versorgen können. Wie machst du das nur? Er war fast völlig schmerzfrei!“
        „Ich habe ihn einfach mitgenommen. Er war nicht mehr im Körper, sein Geist ist mit mir über das Meer gereist. Ich habe sein Bewusstsein stark abgelenkt mit Bildern von Schiffen, wogendem Wasser und Wolken, fernen Ländern. Das muss man sich mal vorstellen: ein Holzfäller, dessen sehnlichster Traum es ist, zur See zu fahren. Armer Kerl.“
        „Aber du selbst hast das Meer doch nie gesehen, oder doch?“
    Taiki lachte. „Nein, Vater. Ganz bestimmt nicht. Alles was ich von der Welt kenne ist Rossheim, die Donn´aid und die Region der Heilerberge bis hin zu Gerhardtsbruck und zuletzt Sonnenbühlheim. Ich habe eben eine starke Vorstellungskraft, bin ein Träumer, der mit den Wolken reisen kann. Ich wusste nie, ob die Bilder, die ich während meiner Wolkenreisen sah, echt waren oder meiner Fantasie entsprangen. Wer weiß, vielleicht habe ich doch schon mehr von der Welt gesehen!“
        „Aber wie bist du auf die Idee gekommen, seinen Geist „mitzunehmen“ und woher wusstest du von seinem Wunsch?“
    Taiki dachte eine Weile nach und naschte von den säuerlichen Brombeeren. Wie sollte man das jemandem erklären, der es nicht auch selber erlebte? Josayah hätte ihn verstanden, auch die Seher aus den Bergen.
        „Ich weiß nicht, wie ich es dir begreiflich machen könnte, Vater. Es geschieht einfach so. Ich habe vom Drachen gelernt… ach, vergiss es!“
        „Vom Drachen?“ Aidan machte ein überraschtes Gesicht.
        „Vergiss es, eigentlich bin ich der Drache, aber…“
    Aidan schaute zweifelnd auf den Spross seiner Lenden. Hatte der Junge etwa ein Problem mit der Realität? Das wäre ihm bisher nicht aufgefallen.
        „Nun, wie auch immer. Wir sollten das wiederholen. Wenn es dir jedes Mal gelingt, den Patienten schmerzfrei zu halten, dann wäre das eine unglaublich wertvolle Fähigkeit. Stell dir nur vor, wie viel Leid du den Kranken ersparen könntest! Was meinst du, kannst du das anderen Geistheilern beibringen?“
        „Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Es ist für mich doch auch noch neu. Gib mir mal von deiner Hirschtalgsalbe für meine Beine. Ich wünschte, ich hätte Hornhaut an den Schenkeln.“
    Aidan kramte mit verstohlenem Grinsen in seiner Reisetasche und beförderte das Gewünschte nach oben. Zu schade, dass sein Junge nicht im Geringsten von seinen eigenen Geistheilerqualitäten profitierte. Auch so ein Rätsel, das er nicht lösen konnte.
     
        Jolim fegte vor der Wirtschaft die rotgoldenen Blätter zusammen, die der Herbstwind mit Eifer in den Eingangsbereich des „Singenden Esels“ wehte. Für ihre mürbe Schönheit hatte er keinen Sinn. Sorgen quälten ihn. Nach dem Winter musste er für Ingay und sich eine neue Bleibe suchen. Er hatte schon alle wohlhabenden und auch die weniger wohlhabenden Familien nach einer Stellung als Hausdiener und Köchin gefragt, aber niemand hatte Verwendung für sie. Sie galten als Unglücksraben, weil ihre Herrschaft ein elendes Ende gefunden hatte. Ha! Als ob das seine Schuld wäre! Er selbst wäre fast in den Flammen umgekommen, als er versucht hatte, über den Balkon hinweg wenigstens die alte Mareika zu retten. Durch die Eingangshalle war ja keiner mehr reingekommen. Doch es war zu spät gewesen. Wie hatte das alles nur passieren können? Seine Brandwunden waren inzwischen verheilt und vernarbten schon, nur die im Nacken nässte noch immer. Er träumte noch oft vom Feuer.
        „Gibt es hier Herberge für zwei müde Reisende?“
    Die Stimme kannte er! Mit Herzklopfen fuhr er herum,

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