Die Drachenreiter von Pern 01 - Die Welt der Drachen
unsicher. F'lar beobachtete sie forschend.
»Ach ja, die arme Lady Gemma , fuhr Lady Tela mit einem tiefen Seufzer fort.
»Wir machen uns solche Sorgen um sie. Ich weiß nicht, weshalb der Herr darauf bestand, sie mitzunehmen.
Bis zu ihrer Niederkunft ist zwar noch etwas Zeit, aber …«
Die Stimme seiner Begleiterin war zum ersten Mal ernst geworden.
F'lars Abscheu vor der Brutalität des Barons wuchs mit jeder Stunde. Er ließ Lady Tela weiterschwatzen und ging Lady Gemma entgegen, um sie zum Tisch zu rühren.
Nur der leichte Druck ihrer Finger auf seinem Arm verriet die Dankbarkeit, die sie empfand. Sie war blass, und um ihren Mund harten sich tiefe Linien eingegraben.
»Ich sehe, man hat versucht, den Saal ein wenig aufzuräumen«, sagte sie leichthin.
»Ein wenig«, erwiderte F'lar trocken und warf einen Blick auf die Holzbalken, an denen die Spinnweben klebten.
Von Zeit zu Zeit ließen sich die Insassen der hauchdünnen Netze blitzschnell auf den Boden oder die Tischplatte fallen. Da, wo die alten Ruatha-Banner gehangen hatten, kamen nackte braune Wände zum Vorschein. Niemand hatte daran gedacht, sie zu verkleiden. Frische Binsenmatten bedeckten die fettverspritzten Steinplatten. Die Tische sahen aus, als seien sie eben erst gescheuert worden, und das Glas der Wandleuchten war blankgerieben.
In ihrem hellen Schein zeigte sich schonungslos der Schmutz des Saales.
»Und Ruatha war eine der schönsten Burgen von Pern«, flüsterte Lady Gemma ihm zu.
»Sie kannten die Familie?« fragte er höflich.
»Ja, in meiner Jugend.« Ihre Stimme verriet, dass sie an glücklichere Zeiten zurückdachte.
»Es war ein edles Geschlecht.«
»Glauben Sie, dass irgend jemand dem Gemetzel entronnen sein könnte?«
Lady Gemma warf ihm einen verblüfften Blick zu, setzte jedoch sofort wieder eine starre Miene auf und schüttelte unmerklich den Kopf. Dann nahm sie mühsam Platz und dankte ihm durch ein kleines Nicken.
F'lar holte seine Begleiterin an den Tisch und rückte ihr den Stuhl zu seiner Linken zurecht. Rechts von ihm saß Lady Gemma und daneben Baron Fax. Die Drachenreiter und die Offiziere des Barons hatten ihre Plätze an den unteren Tischen. Gildenangehörige waren nicht geladen worden.
In diesem Augenblick kam Fax mit seiner augenblicklichen Mätresse und zwei Unterführern in den Saal. Der Verwalter von Ruatha hielt einen gebührenden Abstand zu ihnen ein. Sicher hatte er den Zorn seines Herrn bereits zu spüren bekommen. F'lar wischte eine Spinne vom Tisch. Im Augenwinkel sah er, dass Lady Gemma zusammenzuckte.
Fax stampfte mit düsterer Miene auf den Tisch zu. Ohne die geringste Rücksicht auf Lady Gemma zu nehmen, zwängte er sich zu seinem Platz durch. Mit gerunzelter Stirn untersuchte er sein Gedeck. Er schien fast zu bedauern, dass es sauber war.
»Wir haben Fleisch vom Rost, Mylord, dazu frisches Brot und die letzten Früchte vom Vorjahr.«
»Vorjahr? Du hast behauptet, dass im Vorjahr überhaupt nichts geerntet wurde!«
Dem Verwalter quollen die Augen vor, und er stammelte: »Nichts, das gut genug für Eure Tafel gewesen wäre, Mylord.
Nichts. Hätte ich nur geahnt, dass Ihr kommt, so wäre jemand nach Crom gegangen …«
»Nach Crom?«
Fax knallte den Teller, den er in der Hand hielt, mit solcher Wucht auf den Tisch, dass sich sein Rand verbog. Der Verwalter zuckte zusammen, als habe er den Schlag erhalten.
»… um ein paar Vorräte zu erbitten, Mylord«, fuhr er stockend fort.
»An dem Tage, an dem eine meiner Burgen nicht mehr selbst für die Bewirtung ihres Herrn sorgen kann, verzichte ich auf sie!«
Lady Gemma keuchte. Zur gleichen Zeit brüllten die Drachen. F'lar spürte unverkennbar das Aufwallen der fremden Macht. Sein Blick glitt instinktiv zu F'nor am unteren Tisch. Der braune Reiter nickte ihm zu.
»Was gibt es, Drachenreiter?« fragte Fax unwirsch.
F'lar lehnte sich mit gespielter Gleichgültigkeit zurück.
»Nichts. Weshalb fragen Sie?«
»Die Drachen!«
»Oh, sie brüllen des Öfteren … bei Sonnenuntergang, beim Vorbeizug von Vogelschwärmen, zur Essenszeit.«
F'lar lächelte dem Herrn des Hochlands liebenswürdig zu. Seine Tischdame nickte erschreckt.
»Zur Essenszeit? Haben sie kein Futter erhalten?«
»O doch. Vor fünf Tagen.
»Vor … fünf Tagen? Und sind sie jetzt … hungrig?«
Ihre Stimme senkte sich zu einem angstvollen Flüstern, und ihre Augen wurden riesig.
»Noch nicht«, beruhigte er sie. Er setzte eine gelangweilte Miene auf, durchforschte
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