Die Drachenreiter von Pern 03 - Drachengesang
Erleichterung hielt nicht lange an. Wie sollte sie den steilen Felshang erklimmen, wenn die Feuerechse sie angriff, sobald sie sich den Eiern näherte? Menolly setzte sich ratlos in den Sand.
Und wenn sie es hier mit dem Aufstieg versuchte? Sie warf einen Blick nach oben. Auch hier wirkte das Gestein unregelmäßig und voll von Nischen und Löchern. Sie warf einen Blick auf das Gelege, das von der warmen Sonne angestrahlt wurde, und griff nach dem ersten Vorsprung.
Sofort stieß die Feuerechse auf sie herunter.
»Ach, laß mich zufrieden! Autsch! Los, verschwinde – schsch!« Die Klauen der Echse zerkratzten ihr die Wange.
»Bitte! Ich lasse dir ja deine Eier.«
Die Königin holte Schwung zum nächsten Angriff, und Menolly verkroch sich unter dem Felshang.
Blut tropfte aus dem langen Kratzer, und Menolly tupfte es mit dem Saum ihres Kittels ab.
»Hast du denn gar keinen Verstand?« fragte sie ihre unsichtbare Feindin. »Was könnte ich schon mit deinen blöden Eiern anfangen? Behalte sie! Ich will nur heim. Begreifst du das nicht? Heim will ich!«
Vielleicht vergißt sie mich, wenn ich hier ganz still sitzenbleibe, dachte Menolly und zog die Knie bis ans Kinn, aber ihre Zehen und Ellbogen schauten unter der Felskante hervor.
Plötzlich kreiste eine Bronze-Echse über dem Gelege und stieß ängstliche Rufe aus. Menolly sah, daß die Königin an die Seite ihres Gefährten schoß. Offenbar hatte sie auf dem Felsensims gelauert, bis Menolly aus ihrer Deckung kam.
Und für euch beide habe ich so ein schönes Lied gemacht, dachte Menolly, während sie die beiden Echsen beobachtete. Mein allerletztes Lied war euch gewidmet! Ihr seid ein undankbares Pack, nur damit ihr es wißt!
Trotz ihrer Bedrängnis mußte Menolly lachen. Die Situation war einfach unmöglich. Ein Geschöpf, nicht größer als ihr Unterarm, hielt sie in einem Felsversteck fest!
Bei ihrem Lachen verschwanden die beiden Feuerechsen.
Hatten sie etwa Angst? Vor Gelächter?
»Ein Lächeln bringt dich meist weiter als eine finstere Miene«, pflegte Mavi zu sagen.
Wenn ich lache, merken sie dann vielleicht, daß ich ihnen nichts Böses will? Oder bleiben sie mir dann wenigstens so lange fern, bis ich die Böschung erklommen habe? Gerettet durch ein Lachen?
Menolly schüttelte besorgt den Kopf. Sie sah, daß die Flut jetzt ziemlich rasch hereinkam. Vorsichtig kroch sie aus ihrem Versteck, schlang den Ledersack über die Schulter und begann den Fels zu erklettern. Sie versuchte zu lachen, aber sie merkte, daß sie ihre ganze Konzentration für das Klettern brauchte.
Unvermittelt umkreiste die kleine Königin ihren Kopf. Und sie hatte ihren Gefährten zur Verstärkung mitgebracht.
Wieder verkroch sich Menolly unter dem Felshang und überlegte.
Wenn Lachen die Tiere aufgescheucht hatte – wie stand es dann mit Gesang? Vielleicht ließen die beiden sie laufen, wenn sie ihnen ein paar Takte des neuen Liedes vorsummte. Ihre Stimme klang rauh und unsicher, denn seit ihrem Unfall hatte sie keine Silbe mehr gesungen. Aber sie hoffte, daß den Echsen die übermütige kleine Melodie gefallen würde.
Vorsichtig schob sie den Kopf aus ihrem Versteck – und schaute für Sekundenbruchteile in zwei Feuerechsen-Gesichter. Dann war der Felsensims leer. Sie glaubte, Neugier in den Blicken der beiden Geschöpfe gelesen zu haben.
»Was ist – könnt ihr mich hören? Ich mache euch einen Vorschlag. Ihr wartet, bis ich diese verflixte Böschung erklommen habe, und zum Dank singe ich euch Serenaden vor.« Sie tauchte aus ihrem Versteck und sang dazu eine Drachenballade. Fünf Schritte hatte sie geschafft, dann erschien die Echsenkönigin mit ihrem ganzen Schwarm und scheuchte sie zurück. Menolly hörte, wie über ihr auf dem Sims scharfe Klauen in den Stein kratzten. Ihr Publikum wuchs ständig. Jetzt – wo sie keines brauchte! Vorsichtig hob sie den Kopf, sah zehn Augenpaare, die zu kreisen schienen. »Ein Geschäft, meine Freunde! Ein langes, langes Lied, und dann gebt ihr die Klippe frei, ja?«
Echsen-Augen kreisten.
Menolly nahm das als Einverständnis und sang. Bei der letzten Strophe wagte sie sich ins Freie. Eine Königin und neun Bronze-Echsen schienen gebannt von ihrem Gesang.
»Kann ich jetzt gehen?« fragte sie und legte eine Hand auf den Sims.
Die Königin stieß auf ihre Finger herunter, und Menolly zog sie rasch zurück.
»Ich dachte, wir hätten ein Geschäft vereinbart.«
Die Königin zirpte mitleiderregend, und Menolly merkte erst jetzt,
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