Die Drachenreiter von Pern 04 - Drachensinger
Oldive das schon gesehen?«
»Ja, Meister.«
»Und dir eine seiner gräßlichen Schmieren verordnet, was? Wenn das Zeug hilft, wirst du die Griffe meistern, die dir in der ersten Strophe mißlungen sind.«
»Ich hoffe es.«
»Ich auch, denn bei Lehrballaden sind Varianten fehl am Platze.«
»Das hat mir auch Periton beigebracht«, entgegnete sie ebenso ausdruckslos wie er. »Aber im Archiv der Halbkreis-Bucht ist die Begleitung, die ich gerade spielte, als erlaubte Variante verzeichnet.«
»Erlaubt, aber uralt. Heutzutage kennt und spielt man sie kaum noch.«
Menolly sagte nichts, aber sie erkannte an seiner schroffen Reaktion, daß sie ihn beeindruckt hatte. Er brachte es nur nicht übers Herz, ein Kompliment auszusprechen.
»Welche anderen Instrumente spielst du?«
»Nun, die Trommel natürlich …«
»Natürlich. Da hinter dir liegt ein kleines Tamburin.«
Sie führte die wichtigsten Schlagfolgen vor und spielte dann den Rhythmus eines schweren Tanzes, der besonders bei den Fischern beliebt war. Obwohl Domicks Miene ausdruckslos blieb, sah sie, wie seine Finger im Rhythmus mitzuckten, und freute sich innerlich über diese Reaktion. Als nächstes spielte sie ein einfaches Wiegenlied auf der Schoßharfe, das gut zu dem leichten, sanften Ton des Instruments paßte. Dann wollte sie die große Harfe nehmen, aber Domick wehrte ab und meinte, die Oktavgriffe seien zu anstrengend für ihre linke Hand. Er reichte ihr statt dessen eine Altflöte, nahm selbst ein Tenorinstrument und ließ sie die Harmonien zu seiner Melodie spielen. Das machte Spaß, und sie hätte endlos weitermachen können; sie spielte leidenschaftlich gern Duette.
»Gab es auch Blasinstrumente in der Burg am Meer?«
»Nur das einfache Horn, aber Petiron erklärte mir die Theorie der Klappen und Ventile, und er sagte, mit mehr Übung könnte ich eine gute Lippentechnik entwickeln.«
»Freut mich, daß er nichts vernachlässigt hat.« Domick stand auf. »Nun, ich weiß jetzt, wo ich dich etwa einstufen kann. Vielen Dank, Menolly. Du gehst jetzt am besten zum Mittagessen.«
Mit einem leisen Zögern griff Menolly nach der Gitarre. »Muß ich die jetzt Meister Jerint zurückgeben?«
»Aber nein.« Seine Miene war immer noch kühl, beinahe grimmig. »Du brauchst sie noch, Mädchen. Auch wenn du eine Menge weißt – ohne Übung geht es nicht.«
»Meister Domick, wem hat diese Gitarre gehört?« Sie stellte die Frage hastig, denn sie hatte plötzlich Angst, es könnte seine eigene gewesen sein. Das würde zumindest einen Teil seiner sonderbaren Feindseligkeit erklären.
»Das hier? Das war Robintons Gesellenstück.« Meister Domick grinste breit, als sie ihn entsetzt anstarrte, und verließ den Raum.
Menolly blieb, immer noch halb betäubt von ihrer Kühnheit, und preßte die nun doppelt kostbare Gitarre an sich. Ob sich auch Meister Robinton ärgerte, so wie es Meister Jerint zu tun schien, daß sie seine Gitarre gewählt hatte? Die Vernunft gewann wieder die Oberhand. Meister Robinton mußte inzwischen längst bessere Instrumente besitzen, sonst hätte er sein Gesellenstück kaum in Meister Jerints Lager zurückgelassen. Sie fuhr mit dem Finger leicht über die Saiten und lächelte, als sie den weichen Klang vernahm. Prinzessin zirpte anerkennend, und leise Echos im Raum verrieten Menolly, daß sich auch die übrigen Feuerechsen eingeschlichen hatten.
Doch sie ergriffen allesamt kreischend die Flucht, als eine laute Glocke irgendwo dicht über ihnen zu bimmeln begann. Die schrillen Töne leiteten einen Höllenlärm ein, der nun in den Gängen und im Hof ausbrach. Lehrlinge und Gesellen, entlassen vom Vormittagsunterricht, rannten ins Freie und zum Speisesaal. Dabei schoben und schubsten und schrien sie, daß Menolly das Treiben wie erstarrt beobachtete.
Einige von ihnen zählten sicher schon zwanzig Planetenumläufe! Kein Küstenbewohner hätte sich je so kindisch benommen. In der Burg am Meer mußten Jungen in ihrem Alter bereits von früh bis spät auf den Booten arbeiten. Freilich, ein langer Tag an den Segelleinen und Netzen verbrauchte die Energie, so daß nicht mehr viel für Lachen und Toben übrigblieb. Vielleicht war das mit ein Grund, weshalb ihre Eltern nicht geduldet hatten, daß sie Musik machte – so etwas betrachteten sie kaum als vernünftige Arbeit. Menolly schüttelte die Hände aus. Ihre Gelenke schmerzten, und die Finger zitterten von der langen Anspannung beim Spiel. Nein, ihre Eltern würden nie begreifen, daß
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